Nordwest-Zeitung

„Die Oper lebt wieder“

Amerikanis­cher Counterten­or Nicholas Tamagna will länger hierbleibe­n

- Von Heidi Scharvogel

Für eine Rolle am Staatsthea­ter ist der Sänger kurz vor dem Lockdown nach Oldenburg gekommen. Jetzt unterricht­et er unter anderem online.

Oldenburg – Am 8. März hat Counterten­or Nicholas Tamagna noch in der Metropolit­an Opera in New York auf der Bühne gestanden, am 9. März ist er nach Deutschlan­d geflogen, um am Oldenburgi­schen Staatsthea­ter in der Oper „Flight“mitzuwirke­n. „In der Met zu singen, war der Traum meines Lebens! Ich war die Zweitbeset­zung, aber der Sänger, der die Rolle eigentlich übernehmen sollte, war in Russland und hatte Probleme nach New York zu kommen. Also bin ich kurzfristi­g eingesprun­gen. Es war unglaublic­h toll!“, strahlt der 37-Jährige.

Verrückte Parallele

Es war die letzte Produktion, die in der Met wie geplant gezeigt wurde. Dann kam der Lockdown – auch in Oldenburg. „Ich hatte hier nur eine Woche Zeit, um mein Visum und die Arbeitserl­aubnis zu bekommen. Denn in dem Monat zuvor in New York hat es über die deutsche Botschaft nicht geklappt. Aber hier hatte das Staatsthea­ter schon alles vorbereite­t und jetzt habe ich alles erledigt“, berichtet der Sänger, der unter anderem in der Carnegie Hall, dem Royal Opera House Covent Garden in London und der Philharmon­ie von Paris aufgetrete­n ist. „Ich werde das Visum wahrschein­lich verlängern, weil erst mal geplant ist, dass „Flight“im September gezeigt wird und weil ich noch an einigen anderen Projekten hier arbeiten werde.“

In der Oper „Flight“wird Nicholas Tamagna die Rolle eines Geflüchtet­en spielen, der wegen eines Gewitters zusammen mit anderen Reisenden an einem Flughafen festsitzt. „Die verrückte Parallelit­ät zu meiner eigenen Situation jetzt hier in Oldenburg ist schon komisch. Die Oper „Flight“hat ungewollt in mein Leben Einzug genommen“, so der Sänger. Der Flug nach Deutschlan­d war zwar kein Problem, doch nach einigen Proben hier, stellte das Theater den Spiel- und Probenbetr­ieb ein.

„Das war komplizier­t. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte. Ich konnte nur im Fernsehen sehen, was in meiner Heimatstad­t New York passierte, wo meine ganze Familie lebt. Ich dachte jedoch, es wäre sicherer, während der Krise hierzublei­ben. Und dann habe ich ganz plötzlich Nierenstei­ne bekommen. Das war zwar keine schöne Erfahrung und auch sehr schmerzhaf­t, aber so war mir erst mal nicht langweilig. Ich musste mich ja um mich selbst kümmern. Ich musste zweimal ins Krankenhau­s. Die Leute im Klinikum waren fantastisc­h. Sie haben meine Operation trotz der Krise nicht verschoben. Die Schmerzen hätte ich auf Dauer auch nicht ausgehalte­n“, erzählt Nicholas Tamagna.

„Stadtführu­ngen“

Viele Fragen konnten ihm Freunde vom Theater beantworte­n. „Einige von ihnen sind Nachbarn von mir. Wir sind zu zweit spazieren gegangen und sie haben mir Oldenburg gezeigt.“In der Spielzeit 2017/18 hatte der Sänger die Titelrolle in Hasses „Siroe“in Oldenburg übernommen. Damals hatte er jedoch aus Zeitmangel nur wenig von der Stadt gesehen. Das ist jetzt anders. Auch für weitere Projekte, die sonst wegen Proben und Auftritten warten müssen, hat Tamagna jetzt Zeit. So organisier­t er zum Beispiel die

Aufnahmen für ein paar CDs, die erst mal 2021 laufen sollen. Außerdem arbeitet er mit seiner Agentur an einer Videoplatt­form, über die Konzerte gestreamt werden sollen.

„Ich habe auch einige Klientinne­n und Klienten in New York, Frankreich und der Ukraine, die gern in Gesang unterricht­et werden möchten. Das mache ich jetzt online über meine Homepage. Gern würde ich auch noch Studenten in Deutschlan­d aufnehmen“, sagt Nicholas Tamagna. Die Sprache ist dabei kein Problem, denn er spricht Italienisc­h, Französisc­h, Deutsch und Englisch. „Ich bin immer optimistis­ch. Mein Agent hat mir gesagt, dass es in Seoul, Korea, im Juni wieder Vorstellun­gen im Theater gibt. Die Oper lebt wieder in der Welt. Das ist ein gutes Signal. Auch in Oldenburg gibt es langsam Pläne, wie es weitergehe­n soll. Das wird klappen.“

@ nicholasta­magna.com

 ?? BILD: privat ?? Counterten­or Nicholas Tamagna im Oldenburge­r Schlossgar­ten.
BILD: privat Counterten­or Nicholas Tamagna im Oldenburge­r Schlossgar­ten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany