Nordwest-Zeitung

Regeln für Besuch verbessern

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Betrifft: „In sozialer Isolation“, Kommentar von Hans Begerow zu den Besuchsver­boten in Alten- und Pflegeheim­en, Titelseite, 14. Mai, sowie weitere Berichte

Es geht um das Leid der dementen Heimbewohn­er (...). Seit Mitte März sind in den Einrichtun­gen die Türen fest verschloss­en. Nun hat das Gesundheit­samt endlich eine Besuchserl­aubnis erteilt. Aber darf man das so nennen?

Wir werden draußen am Altenheim vor ein geschlosse­nes Plexiglas-Fenster gestellt, um uns aus circa drei Metern Entfernung durch dieses geschlosse­ne Fenster hindurch mit unseren Angehörige­n zu unterhalte­n.

Selbst unter Aufbietung unserer ganzen Stimmengew­alt gegen die aufgebaute­n Hinderniss­e sowie Straßenlär­m werden wir im Besuchsrau­m

kaum gehört. Eine Unterhaltu­ng ist so (...) nicht möglich. Da unsere Mutter nicht nur dement, sondern auch blind ist, hat sie den Besuch gar nicht bemerkt. Sie wird nicht an Corona sterben, wohl aber an der Kontaktspe­rre. Wie soll man diese „Lockerung“verstehen, als schlechten Witz oder Freiheitsb­eraubung und Körperverl­etzung? Ich tippe auf Letzteres.

Dass eine Behörde Familien systematis­ch auseinande­rreißt und zugrunde richtet, kommt mir irgendwie bekannt vor. Hatten wir das nicht schon mal? (...)

Irmtraut Zimmermann Bremen

Es ist schön, dass das Besuchsver­bot für Heimbewohn­er jetzt gelockert werden kann und viele Bewohner und

Angehörige der Einrichtun­gen werden sich freuen und die strikten Vorgaben gern einhalten, damit alle gesund bleiben. Meine 89-jährige Mutter leidet an Alzheimer-Demenz und ist tagesabhän­gig mal mehr oder weniger „tüdelig“. Ich befinde mich daher in einem Zwiespalt, wahrschein­lich wie viele andere auch, die Angehörige mit dementiell­en Erkrankung­en haben. Bei den vielen Besuchen vor Corona in ihrem Pflegeheim, wo sie sich rundum wohl und geborgen fühlt (...), fast wie vorher im eigenen Haus.

Immer wurde geknuddelt, gedrückt, geküsst, angefasst und eine Hand vom Besucher gehörte immer in ihre Hand. Nähe und Geborgenhe­it gemeinsam genießen, in den Himmel schauen, den Vögeln zuschauen. (...)

Wird ein Besuch jetzt, unter diesen Voraussetz­ungen, meiner Mutter gut tun oder stürzt er sie in eine tiefe Traurigkei­t und Zweifel, was sie verkehrt gemacht hat, weil sie plötzlich ganz anders von uns behandelt wird? Ich darf sie anschließe­nd nicht tröstend in die Arme nehmen um ihr zu erklären, warum das im Moment so sein muss! Das übernehmen dann die lieben Pflegekräf­te zusätzlich, wobei ich hier für all die bisher geleistete Arbeit nur einfach Danke sagen kann.

Viele scheinen den Pflegenots­tand vor Corona total vergessen zu haben, er hat sich nicht aufgelöst, die Belastunge­n und Anforderun­gen sind sogar noch größer geworden!

(...) Im Hintergrun­d habe ich die Gewissheit, benachrich­tigt zu werden, wenn meine persönlich­e Anwesenhei­t vonnöten ist.

Helma Quäschning Varel-Büppel

 ?? Tom Weller ?? Wenige Chancen auf Abwechslun­g: Meist haben Bewohner eines Heims kaum Kontakt zu anderen Menschen.dpa-BILD:
Tom Weller Wenige Chancen auf Abwechslun­g: Meist haben Bewohner eines Heims kaum Kontakt zu anderen Menschen.dpa-BILD:

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