Nordwest-Zeitung

Kuhglocken­geläut quer durch Instanzen

Gericht reist zu Hörprobe nach Oberbayern – Seit fünf Jahren streitet Ehepaar mit Bäuerin

- VON SABINE DOBEL

Jan Hofer (70) hat noch nicht entschiede­n, ob er Ende des Jahres bei der „Tagesschau“aufhört. „Wir wollen im Juli, August in die nächsten Verhandlun­gen gehen und dann entscheide­n“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Fürs Weitermach­en spreche, dass er wie kein Zweiter im Thema drin sei, auch was die Dienstplan­ung und Organisati­on im Hintergrun­d betrifft. „Aber irgendwann muss ja mal Schluss sein, ich kann nicht ewig weitermach­en.“Er mache das ja jetzt schon mindestens drei Jahre länger, als es eigentlich geplant gewesen sei, fügte der Chefsprech­er hinzu.

Nachdem der Ehemann scheiterte, ist nun erneut seine Frau an der Reihe. Das Gericht will dieses Mal genau hinhören.

HOLZKIRCHE­N – Sabine, Sandra, Melissa, Annika und Sabrina stehen auf der sattgrünen Weide und grasen. Friedlich wirkt das. Doch der Schein trügt. Die fünf Kühe im oberbayeri­schen Holzkirche­n bekommen an diesem Dienstag Besuch von der Justiz. Die Richter des Oberlandes­gerichts (OLG) aus München reisen an zur Hörprobe. Es geht um das Geläut der Kuhglocken. Ein Ehepaar, das neben der Weide wohnt, will auf gerichtlic­hem Weg ein Ende des Gebimmels erreichen.

Seit fast fünf Jahren geht der Streit. Der Ehemann und später auch seine Ehefrau waren in getrennten Prozessen in erster Instanz vor dem Landgerich­t München II gescheiter­t. Der Mann verlor in der zweiten Instanz auch vor dem OLG. Der Bundesgeri­chtshof, an den sich der Anwalt des Paares, Peter Hartherz, danach gewandt hatte, sah keinen Anlass, sich mit der Klage zu befassen. Die Sache habe keine grundsätzl­iche BeWeide.

Milchbäuer­in Regina Killer steht mit ein paar Kuhglocken in der Hand in ihrem Viehstall.

deutung, teilte das Gericht in Karlsruhe vor Weihnachte­n mit. Nun steht das Verfahren der Ehefrau in zweiter Instanz vor dem OLG an.

Sie hatte für die erste Instanz genau Buch geführt und dem Landgerich­t im November 2018 aufgeliste­t: Vom 8. Juni bis 20. Juli weideten fünf Kühe mit vier Glocken, vom 21. September bis 22. Oktober waren es acht Kühe mit sechs Glocken. Anfangs habe man die Landwirtin „ganz freundlich“, „ganz in Ruhe“und „ganz höflich“gebeten, „ob sie bitte die Glocken abnehmen“könne, sagte die Frau.

Bäuerin Regina Killer habe zu Ohropax geraten. Mit dem Streit hat sie inzwischen eine gewisse Berühmthei­t erreicht. „Es langt jetzt schon langsam“, sagt sie. In Corona-Zeiten habe sie allerdings genug anderes zu tun, etwa ihre Milch weiterzubr­ingen, etwa über ihre Milchtanks­telle.

Extra für den Gerichtste­rmin hat Killer die umstritten­e Wiese nicht gemäht, damit die Kühe, alle trächtig, etwas zu grasen haben, wenn das hohe Gericht erscheint. Normalerwe­ise macht sie im Frühjahr einen ersten Schnitt und lässt die Kühe erst danach auf die

Dann weiden die beglockten Tiere mit gut 20 Metern Abstand vom Nachbarn.

Das nämlich sieht ein vom Ehemann 2015 mit der Bäuerin geschlosse­ner Vergleich vor, an den sich Killer seitdem hält. Den Eheleuten war es aber weiter zu laut – sie klagten. Der weiter gültige Vergleich war einer der Gründe für das Scheitern der Eheleute vor den Gerichten.

Es gehe um mehr als nur um Lärm, hieß es gelegentli­ch. Klagen gegen Kirchenglo­cken oder das Krähen von Hähnen trieben einen Keil zwischen Alteingese­ssene und Neubürger. Anwalt Hartherz weist jedoch strikt zurück, dass es sich bei den Eheleuten um „Zugezogene“handele. „Beide sind im Landkreis aufgewachs­en und kennen das Landleben.“Sie stammten aus dem Landkreis Miesbach und hätten sich das „sehr schöne Haus mit sehr schönem Grundstück“gekauft.

Seitdem aber verbrachte­n die beiden viele schlaflose Nächte, wie Hartherz mehrfach vor Gericht vorbrachte. Messungen am Schlafzimm­erfenster des Paares hätten eine Lautstärke von mehr als 70 Dezibel ergeben. Zum Beweis spielte Hartherz Anfang 2019 in der Verhandlun­g des Mannes vor dem OLG Aufnahmen des Gebimmels ab. Das Gericht kam dennoch zu dem Schluss, die Lärmangabe­n seien teils zu pauschal. Schon damals hatte der Vorsitzend­e Richter eine Hör- und vielleicht sogar Schlafprob­e erwogen, dann aber darauf verzichtet. Dabei habe sein Mandant gehofft, „dass das Gericht sich mal selbst ein Bild macht von den unhaltbare­n Zuständen“, sagte Hartherz damals.

Dazu zählen nach Ansicht des Ehepaares nicht nur die Kühe mit ihren Glocken, sondern unangenehm­e Gerüche und lästige Insekten, die mit den Kühen einhergehe­n. Einmal ging es auch um das aus Sicht des Paares nicht vorschrift­smäßige Ausbringen von Gülle. Hartherz hat eine Vielzahl von Anträgen gestellt, etwa solle die Weidehaltu­ng unterlasse­n werden. Und wenn Kühe schon auf die Weide müssten, dann ohne Glocken. Das Geläute quäle auch die Kuh.

Im Landgerich­tsprozess der Ehefrau diskutiert­en Richterin, Bäuerin und Anwalt auch, ob GPS-Sender als Ersatz infrage kommen könnten. Schließlic­h ließ man das Thema wieder fallen. Mit ihrem Vorschlag zu einem Termin vor dem Güterichte­r kam die Richterin auch nicht durch. (OLG: Az. 5 U 660/19)

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DPA-BILD: KNEFFEL
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