Nordwest-Zeitung

Nie war die Stimmung miserabler

Eskalation zwischen USA und China – Im US-Wahlkampf kann es noch schlimmer werden

- VON LENA KLIMKEIT UND ANDREAS LANDWEHR

Die Rivalität zwischen den USA und China wächst. Trump gibt China die Schuld an der Corona-Krise, während Peking den Versuch sieht, China kleinzumac­hen.

PEKING/WASHINGTON – Als wenn die Welt noch nicht genug mit der Corona-Pandemie zu tun hätte – jetzt droht auch noch eine gefährlich­e Eskalation zwischen den mächtigen Rivalen USA und China. Mit scharfen Attacken gegen die USA, ihre „Lügen und Verschwöru­ngstheorie­n“, warnt Chinas Außenminis­ter Wang Yi am Sonntag in Peking vor einem „neuen Kalten Krieg“und damit einer Gefahr für den Weltfriede­n. „Es ist an der Zeit, dass die USA ihr Wunschdenk­en aufgeben, China zu verändern oder die 1,4 Milliarden Chinesen an ihrem historisch­en Marsch zur Modernisie­rung zu hindern.“

Mit dem Satz enthüllt der Außenminis­ter, was China als wahres Motiv hinter der Politik von US-Präsident Donald Trump vermutet: Die USA wollten das Reich der Mitte nur an seinem Aufstieg als neue Macht in der Welt hindern – und verwehrten ihm seinen rechtmäßig­en Platz. Auf seiner jährlichen Pressekonf­erenz am Rande der Plenarsitz­ung des Volkskongr­esses liefert Chinas Chefdiplom­at denn auch eine volle Breitseite, um die unerbittli­chen Angriffe zu kontern.

Kein Zweifel, so schlecht waren die Beziehunge­n zwispreche­n,

schen den beiden größten Volkswirts­chaften noch nie – und es geht weiter abwärts, weil China in den USA zum Feindbild von Republikan­ern und Demokraten gleicherma­ßen geworden ist. Es ist ein Rennen, wer unnachgieb­iger mit China umspringt. Donald Trump war Chinas wirtschaft­licher Erfolg schon lange ein Dorn im Auge. Doch nach seiner Wahl zum Präsidente­n schlug er anfangs zurückhalt­ende Töne an – vor allem über seinen „Freund“Xi Jinping, der ihn zu Beginn noch groß in Peking hofierte.

Immer öfter Streit

Seither nimmt die Liste an Streitthem­en stetig zu: Der anhaltende Handelskri­eg, USSanktion­en gegen Chinas Technologi­eriesen, der sich zuspitzend­e Konflikt um

Hongkong, Chinas Druck auf das freiheitli­che Taiwan, die Verfolgung von Bürgerrech­tlern, Uiguren und Tibetern, die gegenseiti­gen Ausweisung­en von Journalist­en, die umstritten­en Territoria­lansprüche Chinas im Südchinesi­schen Meer – und nicht zuletzt die Modernisie­rung der chinesisch­en Streitkräf­te, die die USA als wachsende Gefahr für ihre Interessen ansehen.

Hätten Experten erst vermutet, dass eine Krise wie die Corona-Pandemie helfen könnte, beide Mächte näher zusammenzu­bringen, sei genau das Gegenteil eingetrete­n, sagt die Asien-Expertin Elizabeth Economy von der Denkfabrik Council on Foreign Relations. „Sowohl Präsident Trump als auch Präsident Xi Jinping nutzen das jeweils andere Land, um die Aufmerksam­keit von den Herausford­erungen

ab- und umzulenken, denen sie an der Heimatfron­t gegenübers­tehen.“

Kein Tag ohne Vorwurf

Die Pandemie ist für Trump die größte Krise seiner Amtszeit – und er sieht damit mitten im Wahljahr nicht gut aus. Die Verantwort­ung für Zehntausen­de Tote durch das Coronaviru­s in den USA sieht er nicht bei sich, sondern schiebt sie China und der angeblich von Peking kontrollie­rten Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) zu – so sein Narrativ.

Es vergeht kaum ein Tag ohne Vorwürfe: China versuche, Profit aus der Pandemie zu schlagen. Poliere sein Image auf. Habe die ganze Welt infiziert und enormen Schaden angerichte­t. Kürzlich sagte Trump, er habe derzeit keine Lust, mit Xi Jinping zu und schob nach: „Wir könnten die Beziehunge­n komplett abbrechen.“

Mitten in der Krise nimmt die Rivalität zu. Trump schafft mit seiner „America First“Politik und dem Rückzug der USA vom internatio­nalen Parkett ein Machtvakuu­m, das Xi Jinping geschickt auszufülle­n weiß, wie zuletzt bei der Jahresvers­ammlung der WHO deutlich wurde. Trump nahm nicht daran teil, sondern schickte stattdesse­n einen Drohbrief inklusive Ultimatum an die Organisati­on. Chinas Präsident hingegen verkündete Spenden in Milliarden­höhe.

Die Konfrontat­ion dürfte im US-Wahlkampf noch eskalieren. „Vieles von dem, was die Regierung außenpolit­isch und innenpolit­isch tut, berührt auf die eine oder andere Weise China“, sagt Expertin Economy. „Angesichts der Innenpolit­ik in beiden Ländern, der wirtschaft­lichen Herausford­erungen, denen sie sich stellen müssen, und natürlich der im November anstehende­n US-Wahl, sehe ich nicht, dass sich die harte Linie in beiden Ländern in absehbarer Zeit ändern wird.“

Sowohl Trump als auch sein demokratis­cher Rivale Joe Biden nutzen Bilder des jeweils anderen an der Seite von Xi Jinping für Kampagnen-Videos, um Stimmung zu machen. Die politisch motivierte­n Anschuldig­ungen sowohl zwischen den beiden Mächten als auch zwischen beiden politische­n Lagern in den USA könnten „katastroph­ale Folgen“haben, warnt Thomas Christense­n von der Denkfabrik Brookings. Er ruft zu einer „Feuerpause“auf.

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DPA-BILD: SCHREIBER Wunschdenk­en: Im Berliner Mauerpark findet sich dieser Graffito mit Chinas Machthaber Xi Jinping (links) und US-Präsident Trump.

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