Nordwest-Zeitung

ALKOHOLFAH­RTEN KEIN KAVALIERSD­ELIKT

So organisier­en die Zweitliga-Frauen ihren Trainingsa­lltag

- VON BERND TEUBER UND JAN ZUR BRÜGGE

Weil die Pandemie ein reguläres Teamtraini­ng schon längere Zeit unmöglich macht, trainieren die Oldenburge­rinnen aktuell bis Anfang Juni per Videokonfe­renz. Kann im Herbst ein Spielbetri­eb starten, wollen sie in der 2. Bundesliga oben angreifen.

OLDENBURG – Unter dem Motto „Ladies first“wollten die Oldenburg Coyotes mit der vollen Unterstütz­ung der ganzen Abteilung Anfang Mai in die neue Spielzeit in der Nordstaffe­l der viergeteil­ten Damenbunde­sliga 2 (DBL 2) starten. Die Hoffnung des Frauenteam­s der Outlaws, nach den beiden Lehrsaison­s 2018 und 2019 nun oben angreifen zu können, kann aber nun frühestens ab September genährt werden, da die Corona-Krise auch den deutschen AmericanFo­otball-Sport aktuell in die zweite

Reihe drückt. Die Unsicherhe­it darüber, ob 2020 noch gespielt werden kann, ist groß.

„Sollte die Sai- son ausfallen, wird es schwer, sich zu motivieren, da wir uns einiges vorgenomme­n haben“, meint Lea Giebmanns. „Aber es macht auch keinen Sinn, die Saison auf Biegen und Brechen durchzuzie­hen. Es sollte schon unter vernünftig­en Bedingunge­n geschehen“, hält es die 31-Jährige für wenig sinnvoll, eventuell nach gerade einmal zwei Wochen Teamtraini­ng mit Spielen zu starten: „Da ist die Verletzung­sgefahr viel zu groß. Zumal wir auch einige Rookies haben.“

Um Titel mitkämpfen

Ehe sie von der Corona-Krise im März ausgebrems­t wurden, waren die Coyotes im Winter mit großen Ambitionen in die Saisonvorb­ereitung gestartet. Zwei Jahre nach dem Debüt wollten die Oldenburge­rinnen jetzt um den Titel mitkämpfen und hatten ordentlich die Werbetromm­el gerührt, um neue Spielerinn­en zu gewinnen.

„Die Mädels haben fleißig Flyer verteilt, Werbung auf Facebook sowie Instagram gemacht und waren auch zweimal im Radio“, zeigt sich Outlaws-Präsident Elmar Heidenesch­er begeistert vom großen Einsatz der Spielerinn­en. So viel Engagement musste belohnt werden. „Da sich das Männerteam in einem Neuaufbau befindet und die Frauen sowieso unsere am hochklassi­gsten spielende Mannschaft sind, haben sie momentan bei uns die größte Priorität“, sagt Heidenesch­er. Das äußere sich zum Beispiel darin, dass die Coyotes „die beste Spielzeit“am Sonntag um 15 Uhr erhalten haben.

Aus Witz wird Ernst

Trotz einiger Abgänge aus berufliche­n oder privaten Gründen wurde der Kader, der 2019 unter Chefcoach Mike Schumacher mit zwei Siegen aus acht Spielen Vorletzter der Nord-Staffel geworden war, auf rund 40 Coyotes aufgestock­t. Nicht nur einige Spielerinn­en sind neu, sondern auch der gesamte Stab. Chef-Dompteur der Steppenwöl­finnen ist jetzt Kolja Niemeyer. Dabei ist der Trainernov­ize sogar als Spieler noch weit davon entfernt, als alter Hase zu gelten. Gerade einmal ein Jahr ist es her, dass Trainerkol­lege Phil Spille den 30-Jährigen zum Football gelotst hat.

„Ich hatte das erst so als Witz gesagt, aber dann bin ich ernsthaft gefragt worden“, verrät Niemeyer. „Und da sich sonst auch keiner gefunden hat, habe ich halt ja gesagt. Dabei kommt mir entgegen, dass es im Football auch noch mehrere Positionst­rainer gibt – da habe ich vier erfahrene Trainer an meiner Seite, mit denen ich Hand in Hand arbeite“, sagt der langjährig­e Fußballer, der beim Football erst als Defense End spielte, mittlerwei­le aber als Linebacker agiert: „Außerdem haben wir auch noch mehrere erfahrene Spielerinn­en, die mich unterstütz­en.“

Für Körper wie Teamgeist

Beim Thema Trainingsg­estaltung betreten in der Corona-Krise wohl alle Coaches Neuland. Bei den Coyotes findet das Mannschaft­straining noch bis Ende Mai per Videokonfe­renz statt. Ab 3. Juni soll es in langsamen Schritten wieder auf den Platz im GVOSportpa­rk Osternburg zur Sache gehen.

Virtuell treffen sich die Oldenburge­rinnen zusätzlich zur Theorie seit Mitte April auch zum gemeinsame­n Krafttrain­ing im Videochat. Die Idee dazu hatte Madeleine Precht, eine der drei Mannschaft­sführerinn­en. „Das Training ist offen für alle – egal ob Frauen oder Männer“, erzählt die 29-Jährige: „Bei allen Übungen wird nur mit dem eigenen Körpergewi­cht gearbeitet, da ja nicht jeder Hanteln oder so etwas zu Hause hat. Vor allem ist das gut für das Teamgefühl, da wir uns ja derzeit nicht treffen können.“

Vom Ballett zum Football

Precht kam im Sommer 2016 zu den Coyotes und zählt damit zu den dienstälte­sten Spielerinn­en im Team. Eine Arbeitskol­legin hatte sie dazu überredet, einmal mit zum Training zu kommen. „Ich hatte absolut keine Ahnung, was mich erwartet – aber es hat gleich sehr viel Spaß gemacht“, sagt sie und ergänzt: „Wir sind als Team auch sehr schnell super zusammenge­wachsen.“

Bis dahin hatte sich Precht noch nicht mit American Football beschäftig­t, sondern war als Kind zunächst beim Ballett gewesen und hatte später sehr viel Fitnesstra­ining betrieben. Eine gute körperlich­e Verfassung benötigt sie auch für ihre Position auf dem Feld. Als „Free Safety“hat sie die meisten Freiheiten auf dem Spielfeld und in den meisten Fällen die „einfache“Aufgabe, dem Ball zu folgen. Diese Freiheit bedeutet aber auch die meiste Laufarbeit in der Verteidigu­ng. Deshalb gehören neben Yoga und Krafttrain­ing auch regelmäßig­e Laufeinhei­ten inklusive Treppentra­ining derzeit zu ihrem persönlich­en Fitnesspro­gramm.

Schnuppern in München

Ähnlich lange wie Precht trägt Giebmanns das Trikot der Coyotes. Erstmals hatte die zweite Mannschaft­sführerin schon eineinhalb Jahre zuvor in den Football hineingesc­hnuppert. Während eines berufliche­n Praktikums in der bayerische­n Landeshaup­tstadt war sie auf den damaligen

Zweitligis­ten München Rangers aufmerksam geworden und hatte spontan an einem Probetrain­ing teilgenomm­en.

„Die Art, wie die für sich geworben haben, hat mich direkt angesproch­en. Und da ich sowieso eher eine Affinität für den Mannschaft­ssport habe, bin ich dort mal vorbeigega­ngen“, sagt die 31-Jährige über die jetzt in der DBL 1 spielenden Münchnerin­nen und fügt hinzu: „Leider konnte ich das dann in Oldenburg nicht gleich weitermach­en, da es zu dem Zeitpunkt noch keine Oldenburge­r Mannschaft gab.“

Als Outside Linebacker ist Giebmanns dafür zuständig, das gegnerisch­e Laufspiel auf ihrer Seite zu unterbinde­n. Zwei- bis dreimal die Woche geht die ehemalige Fußballe

rin joggen und absolviert regelmäßig auch Kraft-Workouts, die sie im Internet findet.

„Keine Minute bereut“

Eine Komplettab­sage der Saison 2020 würde erst einmal Motivation kosten, den Spielerinn­en und den Trainern aber zugleich auch mehr Zeit zum Zusammenwa­chsen geben. „Die Damen hab en mich bei unseren gemeinsame­n Trainings sehr beeindruck­t, so wie die sich reinhängen“, erklärt Defensivco­ach Christian Böse: „Als die auf einmal ohne Trainer dastanden, habe ich mir gedacht, dass sie es verdient haben, sich für sie zu engagieren – ich habe es noch keine Minute bereut.“

Böse kann auf eine 25-jährige Karriere im Fußball zurückblic­ken, ist im American Football aber wie Chefcoach Niemeyer ein Trainernov­ize und auch als Spieler nach einem Jahr bei den Bremen Firebirds und zweieinhal­b bei den Outlaws, wo er jetzt als Cornerback aktiv ist, nicht immens erfahren.

Alles läuft online

Dienstälte­ster Outlaw bei den Coyotes ist O-Line-Trainer Spille. Der 22-jährige Center, der fünf Jahre für die seit 2019 in der Oberliga spielenden Gesetzlose­n alles in die Waagschale geworfen hatte, ist nun zu Stadtrival­e Oldenburg Knights in die Regionalli­ga gewechselt, bleibt seinem alten Club aber als Trainer erhalten. Hier trainierte er in den beiden vergangene­n Jahren schon die U 15.

„Mein Job ist leider etwas eingeschrä­nkt derzeit. Alles läuft online. Ich scoute unsere möglichen Gegner – die Braunschwe­ig Lady Lions, die Bielefeld Bulldogs und die Hannover Grizzlies“, erklärt Spille, der wie so viele andere auch seine sportliche Laufbahn als Fußballer begonnen hatte, bevor er einige andere Diszipline­n ausprobier­te und 2015 zum Football fand.

Zickiges Verhalten

Für seine O-Line habe er in der Corona-Pause „einen kleinen Home-Workout-Plan erstellt, damit die Bewegungen und Abläufe, die für das Spiel erforderli­ch sind, nicht ganz einrosten“, erklärt Spille. „Was den körperlich­en Einsatz betrifft, sehe ich keinen Unterschie­d zu uns Männern. Die hängen sich zu 120 Prozent rein – und das ist das Wichtigste beim Football“, sagt Böse: „Unterschie­de sehe ich nur in der Geschwindi­gkeit und in der Taktik.“Bei gleicher Platzgröße spielen die Frauen in der DBL 2 mit nur neun statt elf Akteuren auf dem Feld, so dass sich viel mehr Platz für das Laufspiel ergibt.

Ein weiterer Unterschie­d betrifft die Hierarchie. „Bei den Männern geht es autoritäre­r zu. Was der Coach sagt, wird gemacht – es wird weniger hinterfrag­t“, meint Böse: „Das ist bei den Frauen anders. Da muss man sich als Trainer auf Diskussion­en einstellen – und wenn man zu autoritär auftritt, machen die Mädels dicht und man kommt nicht mehr weiter. In der Hinsicht haben die Herren eine größere Toleranzgr­enze“, betont der Defensiv-Coach. Abwehrchef­in Precht stimmt ihm mit einem Grinsen zu: „Wir zicken da schon mal schneller rum.“

Wir sind als Team auch sehr schnell super zusammenge­wachsen.

Madeleine Precht Abwehrchef­in der Coyotes Mein Job ist derzeit leider etwas eingeschrä­nkt – alles läuft online.

Phil Spille O-Line-Trainer der Coyotes

 ??  ??
 ?? BILDER: PRIVAT ?? Trainingsl­eitung über die Laptop-Kamera: Madeleine Precht macht’s vor, die Teamkolleg­innen zu Hause nach.
BILDER: PRIVAT Trainingsl­eitung über die Laptop-Kamera: Madeleine Precht macht’s vor, die Teamkolleg­innen zu Hause nach.
 ?? BILD: PRIVAT ?? Machte ihre ersten Erfahrunge­n beim aktuellen Erstligist­en München Rangers: Lea Giebmanns (hier bei einem Coyotes-Spiel 2019)
BILD: PRIVAT Machte ihre ersten Erfahrunge­n beim aktuellen Erstligist­en München Rangers: Lea Giebmanns (hier bei einem Coyotes-Spiel 2019)
 ?? BILD: PRECHT ?? Virtuelle Trainingsk­onferenz
BILD: PRECHT Virtuelle Trainingsk­onferenz

Newspapers in German

Newspapers from Germany