Rückkehr des Publikums: Sender planen mit Corona
Zuschauer sollen sich aber nicht an die neue Normalität auf den Bildschirmen gewöhnen
MÜNCHEN/KÖLN – Die großen deutschen Fernsehsender wappnen sich für eine Zeit nach den strengsten CoronaBeschränkungen. RTL etwa erarbeitet ein Tribünenkonzept, das den Schutz der Gesundheit aller Mitarbeiter und der Zuschauer im Studio gewährleistet. Es sieht laut einer Sprecherin unter anderem vor, dass nur jede zweite Reihe und jeder zweite Platz besetzt sind.
Und auch wenn sich Zuschauer selbst in den Hauptnachrichten-Sendungen inzwischen an Interviews mit Experten aus deren Wohnzimmer – teils mit wackeliger Übertragung und DoppelkinnPerspektive vom Schreibtisch aus – gewöhnt haben könnten, wollen alle Sender zu den technischen Standards der Vor-Corona-Zeit zurück. Das ergab eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa.
„Wir wollen möglichst schnell zur gewohnten Qualität zurückkehren“, erklärte ein Sprecher des Ersten Deutschen Fernsehens (ARD). Zu wackeligen Bildern durch Zuschaltungen etwa via Skype
habe die Zuschauerredaktion aber nur sehr wenig Proteste vernommen, weil die Zuschauer einordnen könnten, dass dies coronabedingt nicht anders möglich sei.
Eine Sprecherin von ProSieben Sat.1 betonte: „Wir sind ein Medium der HD- beziehungsweise Ultra-HD-Bilder.“Wegen der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie sei die Flexibilität insgesamt größer geworden. VideoSchalten etwa bei zeitkritischen Übertragungen sollten
daher auch künftig den Werkzeugkasten ergänzen – aber aufwendige Studioproduktionen nicht ersetzen.
Auch RTL hat nach Angaben der Sprecherin vor allem in tagesaktuellen Sendungen und neuen Formaten mit Corona-Bezug auf Videoschalten und -konferenzen zurückgegriffen. „Es hat sich schnell herauskristallisiert, dass sich die Zuschauer gerade im TV eher Normalität – und damit auch die gewohnten technischen Standards – wünschen.“
Ähnlich äußerte sich ein ZDF-Sprecher: „Es spricht nichts dagegen, auch nach der Pandemie Gäste hin und wieder per Schalte ins Studio zu holen.“Dies sei auch in der Vergangenheit üblich gewesen. „In der aktuellen Häufigkeit sind die Schalten aber ein Kompromiss, der wieder zurückgefahren werden soll.“
Eine Rolle spielten auch Publikum und Studiogäste. „Bestimmte Studioformate brauchen Publikum“, sagte Medienwissenschaftler Herbert Schwaab. „Ohne Publikum funktionieren sie anders.“Diskussionen in Talkshows wiederum sind nach seiner Empfindung inhaltlicher und konstruktiver geworden, wenn nicht mit wortgewaltigen Sprüchen auf Lacher oder Applaus gesetzt wird.
Das Thema beschäftigt auch die Sender: Um die Reisetätigkeit der Gäste der abendlichen Talk-Formate und der Teams entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zu minimieren, seien Schalten eine Lösung, sagte der ARD-Sprecher. Sie könnten aber nicht den direkten Austausch der Gäste untereinander ersetzen.