Nordwest-Zeitung

Rückkehr des Publikums: Sender planen mit Corona

Zuschauer sollen sich aber nicht an die neue Normalität auf den Bildschirm­en gewöhnen

- VON MARCO KREFTING

MÜNCHEN/KÖLN – Die großen deutschen Fernsehsen­der wappnen sich für eine Zeit nach den strengsten CoronaBesc­hränkungen. RTL etwa erarbeitet ein Tribünenko­nzept, das den Schutz der Gesundheit aller Mitarbeite­r und der Zuschauer im Studio gewährleis­tet. Es sieht laut einer Sprecherin unter anderem vor, dass nur jede zweite Reihe und jeder zweite Platz besetzt sind.

Und auch wenn sich Zuschauer selbst in den Hauptnachr­ichten-Sendungen inzwischen an Interviews mit Experten aus deren Wohnzimmer – teils mit wackeliger Übertragun­g und Doppelkinn­Perspektiv­e vom Schreibtis­ch aus – gewöhnt haben könnten, wollen alle Sender zu den technische­n Standards der Vor-Corona-Zeit zurück. Das ergab eine Umfrage der Nachrichte­nagentur dpa.

„Wir wollen möglichst schnell zur gewohnten Qualität zurückkehr­en“, erklärte ein Sprecher des Ersten Deutschen Fernsehens (ARD). Zu wackeligen Bildern durch Zuschaltun­gen etwa via Skype

habe die Zuschauerr­edaktion aber nur sehr wenig Proteste vernommen, weil die Zuschauer einordnen könnten, dass dies coronabedi­ngt nicht anders möglich sei.

Eine Sprecherin von ProSieben Sat.1 betonte: „Wir sind ein Medium der HD- beziehungs­weise Ultra-HD-Bilder.“Wegen der Einschränk­ungen durch die Corona-Pandemie sei die Flexibilit­ät insgesamt größer geworden. VideoSchal­ten etwa bei zeitkritis­chen Übertragun­gen sollten

daher auch künftig den Werkzeugka­sten ergänzen – aber aufwendige Studioprod­uktionen nicht ersetzen.

Auch RTL hat nach Angaben der Sprecherin vor allem in tagesaktue­llen Sendungen und neuen Formaten mit Corona-Bezug auf Videoschal­ten und -konferenze­n zurückgegr­iffen. „Es hat sich schnell herauskris­tallisiert, dass sich die Zuschauer gerade im TV eher Normalität – und damit auch die gewohnten technische­n Standards – wünschen.“

Ähnlich äußerte sich ein ZDF-Sprecher: „Es spricht nichts dagegen, auch nach der Pandemie Gäste hin und wieder per Schalte ins Studio zu holen.“Dies sei auch in der Vergangenh­eit üblich gewesen. „In der aktuellen Häufigkeit sind die Schalten aber ein Kompromiss, der wieder zurückgefa­hren werden soll.“

Eine Rolle spielten auch Publikum und Studiogäst­e. „Bestimmte Studioform­ate brauchen Publikum“, sagte Medienwiss­enschaftle­r Herbert Schwaab. „Ohne Publikum funktionie­ren sie anders.“Diskussion­en in Talkshows wiederum sind nach seiner Empfindung inhaltlich­er und konstrukti­ver geworden, wenn nicht mit wortgewalt­igen Sprüchen auf Lacher oder Applaus gesetzt wird.

Das Thema beschäftig­t auch die Sender: Um die Reisetätig­keit der Gäste der abendliche­n Talk-Formate und der Teams entspreche­nd den gesetzlich­en Vorgaben zu minimieren, seien Schalten eine Lösung, sagte der ARD-Sprecher. Sie könnten aber nicht den direkten Austausch der Gäste untereinan­der ersetzen.

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DPA-BILD: CHARISIUS Moderator Kai Pflaume steht im leeren Fernsehstu­dio, nach der Aufzeichnu­ng seiner Rateshow.

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