„Erhebliche Unsicherheit“
Frau Keul, wie bewerten Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts?
Keul: Verfassungsrechtlich kann ich der Argumentation des Gerichts folgen. Die Umsetzung der Regelung wird in der Praxis aber schwierig sein. Das Gericht sagt, dass die Regelung nur dann verfassungsgemäß ist, wenn die Familiengerichte diese verfassungskonform anwenden und auslegen. Wie das in der Praxis bewältigt werden soll, kann ich mir nicht vorstellen. Es hieße, dass die Familiengerichte eine über die Hälfte hinausgehende Ausgleichszahlung berechnen und anordnen müssen.
Sehen Sie noch eine Möglichkeit für eine faire Regelung? Keul: Ich plädiere weiterhin dafür, die Regelung abzuschaffen. Es muss nach Alternativen gesucht werden. Die Grünen schlagen vor, dass die Berechnung der Ausgleichsbeträge nicht zum Zeitpunkt der Scheidung, sondern erst zum Zeitpunkt des Renteneintritts vorgenommen wird. Es käme nicht mehr auf die Zinsentwicklungen zwischen der Scheidung und dem Renteneintritt an. Die Berechnung der Anwartschaften würde zudem die richtige Stelle vornehmen – die Rentenstelle und nicht die Familiengerichte.
Katja Keul (50) ist rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. Die Rechtsanwältin aus Marklohe im Landkreis Nienburg ist seit 2006 im Bundestag.