Nordwest-Zeitung

An Scholz führt kein Weg vorbei

- VON HERMANN GRÖBLINGHO­FF

Der SPD ist offenbar nicht mehr zu helfen. Zu diesem Schluss muss man kommen, wenn an der Nachricht, Fraktionsc­hef Rolf Mützenich zum Kanzlerkan­didaten der Partei machen zu wollen, etwas dran sein sollte.

Denn durch welche Leistungen soll sich der Kölner hervorgeta­n haben, die ihn für dieses Amt qualifizie­ren? Er ist der Mehrheit der Bevölkerun­g kaum bekannt, hat bei der Neubesetzu­ng des Wehrbeauft­ragten-Amtes keine gute Figur gemacht und konnte sich auch in der Corona-Krise nicht besonders hervortun (was natürlich auch an seinem Amt lag). Zudem gilt Mützenich auf internatio­nalem Parkett als völlig unerfahren. Sollte jemand wie er auf Augenhöhe mit den Trumps, Putins und Erdogans dieser Welt verhandeln können? Wohl kaum.

Man muss das Ganze deshalb wie folgt einordnen: Die beiden wenig erfolgreic­hen Parteivors­itzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans versuchen, ihre Interessen und Gefolgsleu­te in der Partei durchzuset­zen, um so ein Gegengewic­ht zu den beliebten und medial erfolgreic­hen Ministern Olaf Scholz, Franziska Giffey und Hubertus Heil aufzubauen.

Die SPD wäre jedoch mit dem Klammerbeu­tel gepudert, wenn sie nicht die Chance erkennen würde, die ihr zurzeit geboten wird. Denn Finanzmini­ster Scholz, bis vor Kurzem noch in Satire- und Comedyshow­s als langweilig­er „Scholzomat“verschrien, scheint in diesen Corona-Krisenzeit­en bei der Bevölkerun­g großes Vertrauen zu genießen. Der jetzige Vizekanzle­r hätte das Format, den Posten des Regierungs­chefs zu übernehmen. Zumal durch den wahrschein­lichen Abgang von Angela Merkel die Nachfolgef­rage beim politische­n Gegner keinesfall­s geklärt ist.

Scholz hat zudem diese großen Vorteile gegenüber Mützenich: Er kennt sich auf internatio­nalem Parkett aus und genießt dort Respekt. Zudem scheint auch die Bevölkerun­g an seine Fähigkeite­n zu glauben, denn im Politbarom­eter der Mannheimer Forschungs­gruppe Wahlen liegt der frühere Hamburger Bürgermeis­ter hinter Kanzlerin Angela Merkel und dem bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder auf Platz drei.

Bei der Wahl zum SPD-Vorsitz hatten sich die Parteimitg­lieder noch gegen Scholz und seine Partnerin Klara Geywitz ausgesproc­hen und dem Duo Esken/Walter-Borjans den Vorzug gegeben. Diesen Fehler sollten die Sozialdemo­kraten nicht wiederhole­n. Denn dann ginge der politische Niedergang unaufhalts­am weiter.

@Den Autor erreichen Sie unter Groeblingh­off@infoautor.de

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