Klitschko nimmt Kurs auf Wiederwahl
Ex-Boxweltmeister will als Bürgermeister von Kiew weiter regieren – Wahl am 25. Oktober
Der Plan des ukrainischen Präsidenten, den 48-Jährigen als Bürgermeister loszuwerden, ging nicht auf. Nun geht es in die nächste Runde – kann „Dr. Eisenfaust“siegen?
KIEW – Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko hat als Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt Kiew den mächtigsten Mann des Landes als seinen Gegner. Präsident Wolodymyr Selenskyj wollte ihn nach vollmundigen Ankündigungen längst aus dem politischen Ring gestoßen haben. Ein Statthalter von Selenskyjs Gnaden schien im Herbst vergangenen Jahres schon beschlossene Sache. Doch Klitschko hält sich – und behauptet sich vor allem in der Corona-Krise als entscheidungsstarker und präsenter Politiker. Inzwischen sitzt der 48-Jährige fester im Sattel denn je – und hat gute Chancen, bei der Wahl im Herbst im Amt zu bleiben.
Corona-Krise genutzt
Sechs Jahre regiert der ehemalige Schwergewichtsweltmeister bereits die Millionenmetropole.
Mit ihm kam 2014 frischer Wind in die Politik der Stadt. Aber auch unter Klitschko muss sich die Stadtverwaltung nachsagen lassen, von korrupten Beamten geführt zu werden. Vor allem aber nutzt der Ex-Boxer die Krise um die Corona-Pandemie, um sich in Szene zu setzen und der Regierung immer einen Schritt voraus zu sein.
Bereits Ende Februar und damit zwei Wochen vor den ersten offiziellen Corona-Infektionen verkündete Klitschko, dass sieben Krankenhäuser für die Aufnahme von Patienten vorbereitet seien. Er besuchte auch demonstrativ eine Infektionsklinik. Als Bürgermeister will er Sicherheit ausstrahlen, aber immer wieder auch eindringlich warnen.
„Ich sage ohne Übertreibung, wenn sich dieses Rumlaufen und die Partys, diese Gruppenfahrten in die Natur fortsetzen, dann erwartet uns eine große Katastrophe!“, sagte er in einer seiner fast täglichen Ansprachen. Plakate zeigen, wie Klitschko sich den Ärmel hochkrempelt – und seine berühmte Eisenfaust ballt.
„Klitschkos Strategie während der Corona-Krise war anfänglich auf eine Nachahmung der Bürgermeister italienischer Städte mit einem gewissen brutalen Stil ausgerichtet“, sagt Politologe Alexej
Jakubin der Nachrichtenagentur dpa. Doch nicht jeder in Kiew lässt sich davon beeindrucken. Viele Menschen haben schlichtweg andere Sorgen.
Die Stadt erstickte täglich im Stau, weil die Metro Mitte März stillgelegt. Am Montag gab Klitschko den Betrieb der Lebensader der Großstadt frei.
Der frühere Profiboxer ist vor allem in sozialen Netzwerken aktiv. Während die Friseursalons landesweit geschlossen waren, drehte Klitschko ein Video, wie er sich im Spiegel selbst die Haare schneidet, wäscht und föhnt. Im Büro machte er zur Titelmelodie des Films um den Boxer „Rocky“Liegestütze und mit einer Verlängerungsschnur Seilspringen.
Gute Umfragewerte
Dem Zweimetermann haben seine Aktivitäten kaum genutzt, aber auch nicht geschadet. Seine Umfragewerte liegen trotz regelmäßiger Skandale um seine Beziehungen zur in der Stadt so bezeichneten Baumafia seit Jahren zwischen 30 und 40 Prozent. Bei der für den 25. Oktober angesetzten Kommunalwahl gilt es als wahrscheinlich, dass er daher in die zweite Runde muss.
Sollte Klitschko sein Projekt Wiederwahl gelingen, dann traut ihm mancher auch höhere Ämter zu. Sein Verzicht auf eine Kandidatur bei der Präsidentenwahl 2014 zugunsten des später gewählten Petro Poroschenko könnte sich langfristig als weitsichtig erweisen. Und dann wäre er für Präsident Selenskyj 2024 ein möglicher Konkurrent.