Mord im Parkhaus: Ausgang für Täter?
Wann dürfen Straftäter aus der geschlossenen Psychiatrie? – Interview mit Klinikdirektorin Annette Claßen
Bad Zwischenahn/Emden/cki
– Emden Der der darf Parkhausmörder Karl-Jaspers-Klinik sich auf dem von Gelände frei bewegen. des wurde vom Landgericht Wie die die Unterbringung Ð Aurich erfuhr, in eine Einrichtung geschlossene eingewiesenen psychiatrische Klinik bestätigte Täters gelockert. die Information Die mit Verweis auf die ärztliche Schweigepflicht nicht, dementierte aber auch nicht. Wie Klinikdirektorin Annette Claßen erläuterte, sind Lockerungen nach einem engmaschigen Prüfungs- und Genehmigungsverfahren möglich und rechtlich vorgesehen.
Der damals 18 Jahre alte Täter hatte im März 2012 ein elfjähriges Mädchen in einem Parkhaus in Emden sexuell missbraucht und getötet. Die Richter beurteilten den Täter als eingeschränkt schuldfähig.
Die Jugendforensik der Karl-Jaspers-Klinik ist landesweit für Straftäter im Alter von 18 bis 24 Jahren zuständig.
Straftäter, die eine Gefahr für die Öffentlichkeit bilden, kommen in eine geschlossene Psychiatrie. Annette Claßen, Direktorin der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, erläutert, wie es nach der Einweisung weitergeht.
Wenn Straftäter in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen werden, geht von ihnen eine Gefahr für die Öffentlichkeit aus. Kann diese Gefahr jemals gebannt werden? Annette Claßen: Die Krankheitsbilder, die hinter diesen Straftaten stehen, sind sehr unterschiedlich und werden entsprechend unterschiedlich behandelt. Die Maßnahmen reichen von Medikamentengabe bis Psychotherapie. Grundsätzlich sind auch psychische Erkrankungen heilbar, und wir verzeichnen in vielen Fällen gute Erfolge.
Woran lassen sich Fortschritte festmachen? Sie schauen in einen Menschen nicht hinein. Bettina Hackenbroch-Hicke: In der Klinik arbeiten Experten verschiedener Fachrichtungen, zum Teil seit vielen Jahren; wir verfügen über eine große Erfahrung. Außerdem gibt es eine Reihe von wissenschaftlich erprobten Instrumenten, mit denen wir die Fortschritte unserer Patienten überprüfen können.
Welche?
Annette Claßen: Ein wichtiges Element sind die Stellungnahmen, die alle Betreuer und Therapeuten regelmäßig zu jedem einzelnen Patienten abgeben. In wissenschaftlich entwickelten und evaluierten Verfahren werden daraus Prognosen entwickelt. Und da Patienten auch nach der Entlassung aus der Klinik von uns noch weiter begleitet und beobachtet werden, können wir auch in der Rückschau feststellen, ob die Prognosen eingetreten sind.
Und was ist, wenn nicht? Dann ist es vielleicht zu spät... Gerrit Holzapfel: Die Entlassung steht am Ende einer Maßnahmenkette, mit denen die Unterbringung in der geschlossenen Einrichtung gelockert wird. Es beginnt mit einem begleiteten Ausführen auf dem Klinikgelände und geht über Ausgang und Freigang bis zu einem Tag Urlaub und Probewohnen. Insgesamt kann man sagen, dass die Zahl der Fälle, wo Absprachen gravierend verletzt wurden, im Promillebereich liegen.
Entscheidet die Klinik selbst über die Entlassung eines Straftäters?
Annette Claßen: Nein, letztlich entscheiden das Gericht beziehungsweise der Staatsanwalt, ob die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung noch notwendig bzw. verhältnismäßig ist; die Kliniken beraten dabei. Aber auch hier gibt es eine Kette von Zwischenschritten, an deren Ende eine Entscheidung steht. Es geht damit los, dass der Patient eine Lockerung beantragt und begründet. Zu diesem Antrag geben der fallführende Therapeut und seine Bezugspflegekraft eine Stellungnahme ab. Der Antrag und die Stellungnahme werden von der sogenannten Lockerungskonferenz in unserer Klinik besprochen, und wenn die Vollzugsleitung dem zustimmt, an das juristische Kompetenzzentrum beim Maßregelvollzugszentrum weitergeleitet. Dort wird der Antrag auf Plausibilität geprüft. Wichtig ist dabei, dass nach spätestens sechs Jahren die Klinik gegenüber dem Gericht erwachsene- und 24 Betten für jugendliche Straftäter. Die 2016 eröffnete Klinik ist zuständig für Straftäter aus dem westlichen Niedersachsen, die Jugendklinik für Straftäter aus ganz Niedersachsen. Insgesamt umfasst die Karl-Jaspers-Klinik im vollstationären Bereich rund 600 Betten.
begründen muss, warum ein Patient trotz Behandlung weiterhin als für die Allgemeinheit so gefährlich gilt, dass er noch nicht entlassen werden kann.
Und wer ordnet die Lockerungen an?
Annette Claßen: Wenn das juristische Kompetenzzentrum zugestimmt hat, wird der Fall dem Prognoseteam vorgelegt. Das ist eine Einrichtung des Landes, die aus drei Forensikern besteht. Das sind Fachleute aus verschiedenen Bereichen der Forensischen Psychiatrie, das heißt erfahren in der Behandlung von psychisch kranken Rechtsbrechern. Mit deren Zustimmung wird ein Schreiben an die Staatsanwaltschaft gerichtet mit der Bitte um Prüfung. Die abschließende Entscheidung trifft dann die Vollzugsleitung der Klinik.
Wann kommt jemand, der eine schwere Straftat begangen hat, in den Genuss von Ausgang, Urlaub oder sogar Entlassung?
Bettina Hackenbroch-Hicke: Das kommt sehr auf den Einzelfall an. Aber der Gesetzgeber schreibt vor, dass nach sechs und dann verschärft nach zehn Jahren, die Unterbringung geprüft und begründet werden muss. Dazu reicht nicht die ursprünglich begangene Tat, sondern es muss aufgezeigt werden, dass bei einer Lockerung eine weitere schwere Straftat droht – ansonsten gilt die Unterbringung in der Psychiatrie als nicht verhältnismäßig. Lockerungen können allerdings ausgesetzt oder sogar zurückgenommen werden, wenn der Täter Auflagen und Absprachen nicht einhält. Deswegen ist es wichtig, dass wir über einen langen Zeitraum und in mehreren kleinen Einzelschritten diese Freiheiten erweitern.
Wie lange sitzt ein Straftäter in der Regel in der Psychiatrie? Annette Claßen: Wir hatten landesweit im Jahr 2018 eine durchschnittliche Verweildauer von Straftätern nach Paragraf 63 des Strafgesetzbuches von 10,8 Jahren. Unser Auftrag ist es, die Gefährlichkeit zu reduzieren – Straftäter aber nach Möglichkeit wieder zu resozialisieren.
Ist es richtig, dass die Karl-Jaspers-Klinik die Unterbringung des Parkhausmörders von Emden, der 2011 ein elfjähriges Mädchen ermordet hat, gelockert hat?
Annette Claßen: Dazu können wir nichts sagen. Über Einzelfälle dürfen wir keine Auskunft geben, wir unterliegen da der Schweigepflicht.