Nordwest-Zeitung

Frühwarnsy­stem der Demokratie

- VON STEFAN IDEL

Diese Erkenntnis hat unveränder­t Gültigkeit: Aus Worten werden Taten! Nicht erst die Corona-Pandemie hat den Boden bereitet für Verschwöru­ngstheoret­iker, Hetzer und Hass-Kommentato­ren. Und es sind keinesfall­s nur „Spinner“oder Populisten, die im Internet und bei Demos ihre kruden Thesen verbreiten. In dem Kreis tummelt sich eine neue Generation von Agitatoren, die für ihre Zwecke mobil machen. Der Rechtsextr­emismus ist heterogene­r und unberechen­barer geworden, wie Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius bei der Vorlage des Verfassung­sschutzber­ichts feststellt­e. Vor allem ist er digitaler geworden und bestens vernetzt.

Pünktlich zur Vorlage des Berichts machte Pistorius öffentlich, dass der völkisch-nationalis­tische Zusammensc­hluss, der dem eigentlich aufgelöste­n „Flügel“der AfD zugerechne­t wird, unter Beobachtun­g steht. Schon seit Mitte März haben die Verfassung­sschützer ein Auge auf die Gruppierun­g. Seinerzeit stufte auch das Bundesamt für Verfassung­sschutz den „Flügel“als „gesichert rechtsextr­emistische Bestrebung“ein.

Der niedersäch­sische Schritt war überfällig. Denn die vermeintli­che Auflösung des „Flügels“ist eine Farce, wenn seine Protagonis­ten weiterhin agitieren können. Und der Machtkampf an der Spitze der Bundes-AfD ist mit dem Rauswurf des Brandenbur­gers Andreas Kalbitz mitnichten gelöst.

Auf der anderen Seite des politische­n Spektrums deutet ebenfalls wenig auf Mäßigung hin: Die Zahl der Linksextre­misten steigt. Nicht nur Wohnhäuser von AfD-Mitglieder­n oder Behörden sind Anschlagzi­ele. Nach Erkenntnis­sen des Verfassung­sschutzes versuchen die Autonomen, die Klimabeweg­ung für ihre Zwecke zu instrument­alisieren.

Es gibt keinen Unterschie­d zwischen gutem und schlechtem Extremismu­s, sagt Pistorius. Recht hat er. Deutlich und ausgewogen dokumentie­rt der Bericht, wie sich Extremiste­n auf die neue Zeit einstellen. Wer da den Verfassung­sschutz als Frühwarnsy­stem der Demokratie infrage stellt, muss auch erklären, wie die offene Gesellscha­ft geschützt werden soll.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany