Frühwarnsystem der Demokratie
Diese Erkenntnis hat unverändert Gültigkeit: Aus Worten werden Taten! Nicht erst die Corona-Pandemie hat den Boden bereitet für Verschwörungstheoretiker, Hetzer und Hass-Kommentatoren. Und es sind keinesfalls nur „Spinner“oder Populisten, die im Internet und bei Demos ihre kruden Thesen verbreiten. In dem Kreis tummelt sich eine neue Generation von Agitatoren, die für ihre Zwecke mobil machen. Der Rechtsextremismus ist heterogener und unberechenbarer geworden, wie Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius bei der Vorlage des Verfassungsschutzberichts feststellte. Vor allem ist er digitaler geworden und bestens vernetzt.
Pünktlich zur Vorlage des Berichts machte Pistorius öffentlich, dass der völkisch-nationalistische Zusammenschluss, der dem eigentlich aufgelösten „Flügel“der AfD zugerechnet wird, unter Beobachtung steht. Schon seit Mitte März haben die Verfassungsschützer ein Auge auf die Gruppierung. Seinerzeit stufte auch das Bundesamt für Verfassungsschutz den „Flügel“als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ein.
Der niedersächsische Schritt war überfällig. Denn die vermeintliche Auflösung des „Flügels“ist eine Farce, wenn seine Protagonisten weiterhin agitieren können. Und der Machtkampf an der Spitze der Bundes-AfD ist mit dem Rauswurf des Brandenburgers Andreas Kalbitz mitnichten gelöst.
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums deutet ebenfalls wenig auf Mäßigung hin: Die Zahl der Linksextremisten steigt. Nicht nur Wohnhäuser von AfD-Mitgliedern oder Behörden sind Anschlagziele. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes versuchen die Autonomen, die Klimabewegung für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.
Es gibt keinen Unterschied zwischen gutem und schlechtem Extremismus, sagt Pistorius. Recht hat er. Deutlich und ausgewogen dokumentiert der Bericht, wie sich Extremisten auf die neue Zeit einstellen. Wer da den Verfassungsschutz als Frühwarnsystem der Demokratie infrage stellt, muss auch erklären, wie die offene Gesellschaft geschützt werden soll.