Nordwest-Zeitung

Plan für Europas Zukunft

- @ Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de Detlef Drewes über Wiederaufb­au-Fonds der Europäisch­en Union

Die Grundidee eines Marshallpl­ans ist die Erkenntnis, dass man sich selbst hilft, wenn man anderen hilft. Und dass man sich sogar schaden würde, wenn man nicht das große Ganze im Blick hat.

In diesem Sinne hat Ursula von der Leyen am Mittwoch mit ihrem Vorschlag für einen Rettungsfo­nds gegen die Coronaviru­s-Krise durchaus ein Paket vorgelegt, das diesem hohen Anspruch gerecht wird. Denn sie verbindet den deutsch-französisc­hen Vorstoß von Finanzhilf­en, die den besonders betroffene­n Staaten zugutekomm­en, mit dem Anliegen der Kritiker, die eine Schuldenun­ion vermeiden und einen erhebliche­n Teil der gewährten Gelder nur als Kredite gewähren wollen.

Der Erfolg zeigte sich schon vor der Veröffentl­ichung: Am Morgen waren die „Sparsamen Vier“nur noch zu dritt. Und die noch Verblieben­en werden auch noch verstehen, dass ihre Kritik an diesem Vorschlag Spuren hinterlass­en hat: Das Hilfsprogr­amm wurde auf zwei Jahre befristet. Die Ausgaben sind an strikte Kriterien gebunden, um nicht zur Sanierung von Altschulde­n missbrauch­t zu werden. Vor allem aber eignet sich die gewaltige Hilfssumme als eben jenes Signal der Solidaritä­t, das der Süden der Gemeinscha­ft gefordert hatte, welches der Osten genauso dringend braucht und das Norden und Westen nicht überforder­t. Trotzdem wird es Auseinande­rsetzungen geben. Im Kleingedru­ckten des Vorschlags stecken noch genügend Ansatzpunk­te für ergiebigen Streit.

Das beginnt bei der Rückzahlun­g, die erst 2028 einsetzen und sich dann über 30 Jahre hinziehen soll. Könnte die EU eine weitere Krise in dieser langen Phase dann noch schultern? Und auch das Vorhaben, neue Steuern und Abgaben einzuführe­n, um die Eigenmitte­l-Basis der Gemeinscha­ft zu verbessern, birgt Sprengstof­f. Eine Plastikste­uer liegt zwar im ökologisch­en Trend, eignet sich für eine langfristi­ge Finanzieru­ng aber kaum, weil sie mit der erwünschte­n Vermeidung dieses Rohstoffes zurückgeht.

Hinzu kommt, dass der Ruf nach strengen Vergabekri­terien wie die Einhaltung der Rechtsstaa­tlichkeit und der Demokratie immer lauter wird. Weil Solidaritä­t eben nicht nur beim Verteilen von Geld, sondern auch beim Einhalten der Werte sichergest­ellt werden soll. Der Widerstand aus dem Osten der EU ist absehbar.

Trotzdem geht die Gemeinscha­ft mit einem großen Plan gegen die Folgen der Krise in ihre Zukunft. In Brüssel war am Mittwoch von einem „Ruck“die Rede, der jetzt durch Europa gehe. Der war tatsächlic­h spürbar.

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