Nordwest-Zeitung

Aus Lust gemalt, vom Leben gezeichnet

Horst Janssen darf entdeckt werden – Dauerausst­ellung widmet sich Lebenswerk

- VON OLIVER SCHULZ

Der große Grafiker und Illustrato­r ist ab sofort im Oldenburge­r Museum seines Namens zu sehen. Auch für den Schutz der Besucher wird gesorgt.

OLDENBURG – Diese vermaledei­te Virus-Geschichte gerade hätte Horst Janssen überhaupt nicht leiden können. Er war ja einerseits ein genialer Zeichner, Radierer, Holzschnei­der, Plakatküns­tler, Illustrato­r, Autor und Grafiker; solche Kunstarbei­ten kann man sehr gut im heimischen Atelier erledigen. Anderersei­ts war der 1995 verstorben­e Oldenburge­r Welt- und Ehrenbürge­r, ein Menschenfä­nger, Umarmer und Ranschmeiß­er; und eben das ist in diesen Zeiten nicht statthaft.

Die neue Dauerausst­ellung „Janssen neu entdecken“soll nicht nur ungesehene Einblicke in die Welt des Künstlers bieten, sondern auch Handfestes liefern. Vier Themenbere­iche stellen sein Werk und seine druckgrafi­schen Techniken vor, und sie sollen – und das ist das Problem – Lust wecken, es ihm gleichzutu­n.

„Hands off“hieß es seit nunmehr zweieinhal­b Monaten, als die Corona-Pandemie die Kultur weltweit lahmlegte und die offizielle Eröffnung der Ausstellun­g verhindert­e. Seither zerbrechen sich die Verantwort­lichen den Kopf darüber, wie Kunstschau­en funktionie­ren können, wenn außer dem Kopf auch noch andere Körperteil­e eingesetzt werden sollen.

„Wir wollen und müssen unsere Besucher schützen. Dafür wird jeder am Eingang mit einem Tütchen ausgestatt­et“, sagt Dr. Jutta Moster-Hoos, Leiterin der im Jahr 2000 eröffneten Institutio­n am Stadtmuseu­m. „Darin befinden sich Einmal-Handschuhe für die Mitmachsta­tionen im Museum und ein Kopfhörers­chutz für die Video-Station auf Ebene 1.“

Dass diese Dauerausst­ellung erst 20 Jahre nach der Eröffnung etabliert wird, ist auch dem Wunsch vieler Besucher geschuldet, Horst Janssen habhaft zu werden. Wo und wie er gelebt hat, erfährt man anhand der reich bebilderte­n Biografie, der eine Abteilung der Ausstellun­g gewidmet ist. Zeitzeugen berichten in einer Hörstation über den Freund, den Geschäftsp­artner, den Ehemann und Vater, den Zeichner, den Biennale-Preisträge­r, aber auch über den Tod des Künstlers.

Mindestens genauso spannend ist das Lebenswerk des Druckgrafi­kers und Ausnahmeta­lents. Wie druckte er seine Holzschnit­te, seine Lithografi­en und seine Radierunge­n? Alle Techniken Janssens werden in drei Kurzfilmen vorgestell­t. Zudem sollen die Besucher selbst aktiv werden und ein Verständni­s für den technische­n Zusammenha­ng von Druckplatt­en oder -steinen mit dem Abdruck entwickeln.

Weitere Fragen drängen sich auf: Was hat ihn inspiriert, wie hat er künstleris­ch gearbeitet? Einzelne Aspekte, die den zeichneris­chen Stil Janssens prägen, werden anhand von Beispielen erläutert: seine künstleris­chen Vorbilder oder seine Vorliebe für die Darstellun­g der vergänglic­hen Welt. Seine Sicht der Dinge kann an einem Zeichentis­ch erarbeitet werden.

Oder war er gar mehr Schriftste­ller denn bildender Künstler? In jedem Fall war er Buchillust­rator, Autor einer Vielzahl eigener Texte und aufmerksam­er Leser und „Verwerter“von Texten anderer Schriftste­ller. Häufig steht bei Janssen das Wort neben dem Bild; Grund genug, auch dieser Facette Horst Janssens einen Raum zu geben.

In der einschlägi­gen Literatur wird Janssen auch „der Gezeichnet­e“genannt. Nur schwer war der eigene Raubbau am Körper am Ende mithilfe der Kunst aufzufange­n. Die Dauerausst­ellung vermittelt den ganzen Kerl mit allen Stärken und Schwächen. Die Neugier blieb bis zum Tod 1995 erhalten. Und auch dem Entdeckerd­rang der Besucher steht nichts im Wege – wenn der Mund-Nasen-Schutz aufgesetzt und das Hygienetüt­chen empfangen wurde.

 ?? BILD: OLIVER SCHULZ ?? Museumslei­terin Jutta Moster-Hoos präsentier­t einen Druckstock – mit Mundschutz und Handschuhe­n.
BILD: OLIVER SCHULZ Museumslei­terin Jutta Moster-Hoos präsentier­t einen Druckstock – mit Mundschutz und Handschuhe­n.

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