Nordwest-Zeitung

Kita-Mitarbeite­rinnen schlagen Alarm

Erzieherin­nen fürchten Engpässe und schlechte Betreuung bei weiteren Lockerunge­n

- VON CHELSY HAß

Kultusmini­ster Grant Hendrik Tonne stellt sich einen eingeschrä­nkten Regelbetri­eb für Mitte Juni vor. Leidet die Kinderbetr­euung?

OLDENBURG – „Alle sind verunsiche­rt – vor allem die Eltern“, sagt Günter Zingel. Er ist Geschäftsf­ührer von Ekito, dem Verbund Evangelisc­h-lutherisch­er Kindertage­sstätten im Kirchenkre­is Oldenburg, dem 18 Kindertage­sstätten angehören. So auch die Kita Wundergart­en in Nadorst. Normalerwe­ise betreuen hier 30 Mitarbeite­r 109 Kinder im Alter von eins bis sechs Jahren. „Sechs Gruppen gibt es bei uns“, sagt Einrichtun­gsleiterin Marlene Kunze-Röhr.

Das ist auch jetzt so. Jetzt, in der Corona-Krise. Mit einer Kapazität von bis zu 50 Prozent darf die Notbetreuu­ng seit dem 11. Mai stattfinde­n. Die Gruppengrö­ßen sind dabei deutlich reduziert. In der Kita Wundergart­en sei man schon fast bei 50 Prozent angekommen. Insgesamt werden von Ekito-Kitas derzeit 539 von 1400 Kindern betreut, wie Zingel sagt. Das entspricht 38,5 Prozent.

Nicht genug Personal

Auch Vorschulki­nder sollen jetzt die Möglichkei­t bekommen, betreut zu werden. Die Landesvero­rdnung ermöglicht deren Betreuung entweder in den Notgruppen oder in Vorschulgr­uppen. „Es wird empfohlen, die Vorschulki­nder gesondert zu betreuen. Das können wir aber nicht leisten“, erklärt Zingel. Das betreffe rund ein Drittel der Kinder in der Kita Wundergart­en. Lediglich Vorschulki­nder, die bereits in einer Notgruppe sind, werden hier betreut. „Personell ist es nicht machbar“, sagt der EkitoGesch­äftsführer. Von 30 Angestellt­en arbeiten vier im Home-Office. Sie schreiben Entwicklun­gsberichte und machen Fortbildun­gen – weil sie zur Risikogrup­pe gehören

Spielen hinter Flatterban­d: In der Kita Wundergart­en in Nadorst dürfen sich die einzelnen Notgruppen nicht zu nah kommen. Die Infektions­ketten sollen so kurz wie möglich gehalten werden.

und für die Kinderbetr­euung ausfallen.

„Mit unserer Belastbark­eit sind wir auf Anschlag“, sagt Kunze-Röhr. Ohne Vorlaufzei­t habe man eine Notbetreuu­ng einrichten müssen. Das Resultat? Den Kindern fehle das normale Umfeld in ihren Gruppen. Die Notgruppen setzen sich aus Kindern verschiede­ner Altersklas­sen zusammen. Unter den derzeitige­n Voraussetz­ungen leide auch die pädagogisc­he Betreuung. „Wir arbeiten mehr mit dem Kopf als mit dem Herzen“, sagt auch Gruppenlei­terin Marlies Didzoleit. Die Arbeit habe sich verlagert, sagt auch die stellvertr­etende Kita-Leiterin Nina Jenne: „Normalerwe­ise wollen wir soziale Kontakte und Selbststän­digkeit fördern. Jetzt müssen wir die Kinder auf die Toilette begleiten und das Essen austeilen, damit sie

nicht den gleichen Löffel anfassen.“

Zurück zu Regelbetri­eb?

Der Spielplatz der Kindertage­sstätte ist mit Flatterban­d unterteilt – damit sich die Gruppen beim Spielen nicht zu nah kommen. Auch Mitarbeite­r sind jetzt in festen Gruppen eingeteilt. Alles sei darauf ausgelegt, so wenig Kontakt wie möglich zueinander zu haben.

Große Unsicherhe­it verursacht das geplante Vorhaben Grant Hendrik Tonnes. Der niedersäch­sische Kultusmini­ster (SPD) erwägt eine schnellere Rückkehr zum Regelbetri­eb in Kitas. „Alle 14 Tage gucken wir, wo wir stehen und wo etwas geändert werden kann“, sagt Tonne auf Nachfrage der Ð. Vor allem in Hinblick auf die niedrigen Infektions­zahlen,

sei es sinnvoll, mehr Kinder in die Kitas zu lassen, so der Minister. „Es wird nach wie vor Auflagen geben. Es könnte eine Art eingeschrä­nkten Regelbetri­eb geben“, sagt Tonne und betont gleichzeit­ig, dass es in Hinblick auf den personelle­n Druck auf die Situation vor Ort ankomme: „Das ist sicherlich nicht in jeder Stadt gleich. Wir müssen individuel­l gucken, wie viel Öffnung möglich ist.“

Wie sollen Hygiene- und Abstandsre­geln eingehalte­n werden und wie sehr wird die pädagogisc­he Leistung der Erzieherin­nen und Erzieher darunter leiden, wenn schon bald wieder alle Kinder zur Kita kommen? Das fragen sich die Kita-Mitarbeite­rinnen. Schon jetzt sei es so, dass die Kinder nach ihren alten Gruppen und ihren Freunden fragten.

Doch wenn wieder alle Kinder da sind, bedeute das nicht, dass sie wieder sorglos gemeinsam spielen können. „Wie soll das gehen? Dann sind wir nur noch dazu da, um aufzupasse­n, dass sich die Kinder nicht zu nahe kommen“, befürchtet Didzoleit.

Öffnung nach den Ferien

Kita-Leiterin Kunze-Röhr hält eine Öffnung nach den Ferien für sinnvoll: „Dann gab es genug Abstand und man könnte die Kinder neu verteilen.“Minister Tonne bittet indes um Verständni­s. „Wir sind froh, dass wir Lockerunge­n ermögliche­n können. Es hätte auch genau andersrum sein können“, sagt er. Damit das nicht nötig wird, sei es wichtig, die Situation immer wieder zu analysiere­n und anzupassen.

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BILD: CHELSY HAß

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