Die Furcht vor den Blicken der anderen
Eine Therapie kann helfen – Mit gezieltem Training gegen die Angst
Es ist mehr als nur Schüchternheit oder Introvertiertheit. Wer Sozialphobiker ist, hat Angst vor alltäglichsten Situationen. Die Erkrankung sollte man ernst nehmen – wie wird sie behandelt?
WASSERBURG/BERLIN – „Reiß dich zusammen! Das ist doch nichts!“Solche und ähnliche Sprüche hören viele Patienten von Prof. Peter Zwanzger – bevor sie sich bei ihm psychotherapeutischen Rat wegen ihrer Sozialphobie einholen.
„Deswegen mache ich meinen Patienten im Erstgespräch immer Mut“, erklärt der Chefarzt der Allgemeinpsychiatrie und Psychosomatik am kbo-Inn-Salzach-Klinikum Wasserburg am Inn.
Starke Furcht vor negativer Bewertung
Dass andere das Problem des Betroffenen nicht ernstnehmen oder herunterspielen, liegt womöglich auch daran, dass sie das Verhalten mit Schüchternheit oder Introvertiertheit verwechseln. Doch die Sozialphobie grenzt sich davon klar ab. „Denn die soziale Phobie ist durch die starke Furcht geprägt, von anderen Menschen negativ bewertet oder kritisiert zu werden“, sagt Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer.
Introvertiertheit ist eine Charaktereigenschaft. Solche Menschen sind meist in sich gekehrt und gegenüber anderen zurückhaltend – aber nicht, weil sie Angst haben. „Schüchterne Menschen haben dagegen auch eine Angst vor zwischenmenschlichen, insbesondere nicht vertrauten Kontakten“, erläutert Munz. „Dieses Verhalten wird erlernt und kann durch Training wieder verlernt werden.“
Schüchternheit kann in eine soziale Phobie übergelassen
Schon scheinbare Alltäglichkeiten wie ein Theaterbesuch können bei Betroffenen starke Ängste auslösen.
hen. „Bei der sozialen Phobie ist die Angst so stark, dass gesellige Treffen wie das Essen mit Freunden immense Angst verursachen und deshalb manchmal sogar vermieden werden“, erklärt Munz weiter.
Wenn sich die Angst ausdehnt
Es gibt zwei Formen der sozialen Phobie: die generalisierte und die isolierte. Eine Ausprägung der letzteren ist zum Beispiel die isolierte Sprechangst. „Hier unterscheiden wir, ob ein Mensch ,nur‘ Schwierigkeiten hat, vor anderen zu sprechen oder ob sich die Angst sukzessive auf mehrere
Lebensbereiche ausdehnt“, sagt Peter Zwanzger, der auch der Gesellschaft für Angstforschung vorsitzt.
Dann könnten Betroffene etwa Angst davor haben, in einem Restaurant ein Glas umzustoßen. Oder dass der Chef ihnen eine Frage stellt, die sie nicht beantworten können.
Dabei kann es auch zu einem selbstverstärkenden Effekt kommen. „Dann ist es den Patienten extrem peinlich und unangenehm, wieder zu zittern oder zu erröten. Allein der Gedanke daran kann eine Panikattacke auslösen, und eine Angst vor der Angst entsteht. Ein regelrechter Teufelskreis
Dietrich Munz
beginnt“, erklärt Dietrich Munz.
Weil sich soziale Phobien nur selten alleine bewältigen