Unfall vor Schichtende
Weshalb eine Witwe beim Bundessozialgericht leer ausging
Kassel/Dresden – Ein tödlicher Autounfall ist nicht gesetzlich versichert, wenn es Zweifel am Fahrziel des Opfers gibt. Das entschied das Bundessozialgericht in Kassel am Dienstag und wies die Revision einer Witwe aus Sachsen zurück. Ihr Mann hatte 2014 unter rätselhaften Umständen seinen Arbeitsplatz verlassen.
Es sei nicht mehr feststellbar, ob der Gestorbene am Unfalltag nach Hause oder an einen dritten Ort habe fahren wollen, sagte der Vorsitzende Richter. Es handele sich damit nicht um einen sogenannten Wegeunfall, der Frau und ihrem Kind stehen keine Hinterbliebenenleistungen wie Witwen-, Waisenrente und Sterbegeld zu. (AZ B 2 U 9/19 R)
Die gesetzliche Lage
Arbeitnehmer sind auf dem Weg zum Job sowie auf dem Rückweg nach Hause gesetzlich unfallversichert. Doch die Berufsgenossenschaft Rohsagte
stoffe und chemische Industrie hatte Zahlungen abgelehnt. Die Klägerin, eine junge Mutter, klagte dagegen. Sie bekam in erster Instanz recht, verlor dann aber vor dem Landessozialgericht Sachsen.
Was den Fall kompliziert macht: Der 1991 geborene Produktionsmitarbeiter eines Reifenwerks
hatte plötzlich bei laufenden Maschinen und vor Schichtende seinen Arbeitsplatz verlassen. In der Nähe seines Heimatortes fuhr er gegen einen Lkw. „Für den Versicherungsschutz reicht es nicht aus, dass er sich auf dem unmittelbaren Weg von der Arbeit nach Hause befand“,
die Vertreterin der Unfallversicherung. Es müsse bewiesen werden, dass er nach Hause wollte.
Dass ihr Ehemann auf dem Heimweg war, steht für die Witwe außer Frage. Es habe sich um eine junge Ehe ohne Probleme gehandelt, erklärte ihre Anwältin. Wenn es Zweifel an der Absicht des Verstorbenen gebe, müsse die Unfallversicherung das beweisen: „Ich sehe, dass die Beweislast beim Beklagten liegt.“
Kein üblicher Ablauf
Die Richter folgten dieser Argumentation nicht und bestätigten das Urteil des Landessozialgerichts. Zwar habe sich der Ehemann objektiv auf dem Weg zu seinem Wohnort befunden. „Jedoch fehlte es an dem erforderlichen sachlichen Zusammenhang des unfallbringenden Wegs mit seiner Beschäftigung“, erklärte der Richter. Dem Verlassen des Arbeitsplatzes sei kein üblicher Ablauf der Geschehnisse vorausgegangen.