Trump und das Corona-Virus
Innenminister sieht kein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden
Erst spielte er die CoronaGefahr herunter, dann erwischte es ihn selbst: US-Präsident Donald Trump macht mit seiner Corona-Erkrankung Schlagzeilen. An seiner Entscheidung, schon vor dem Auskurieren der Infektion ins Weiße Haus zurückzukehren, scheiden sich die Geister – auch bei uns in der Redaktion.
In einem Pro- und KontraKommentar liefern sich unsere Politik-Redakteure Hermann Gröblinghoff und Dr. Alexander Will einen Schlagabtausch. Trumps Selbstinszenierung ist ein gekonnter Schachzug im Wahlkampf, meint Alexander Will. Sein Verhalten ist zynisch und verantwortungslos, weil er andere gefährdet, meint dagegen Hermann Gröblinghoff.
Berlin – Horst Seehofer sieht sich bestätigt: „Wir haben kein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden“, versicherte der Bundesinnenminister am Dienstag in Berlin in der Bundespressekonferenz. Das Ergebnis des ersten, 97 Seiten starken Lageberichts des Verfassungsschutzes sei eindeutig. 99 Prozent der Beamten stünden fest auf dem Boden des Grundgesetzes, nahm der CSU-Politiker die Gesetzeshüter in Schutz.
Keine Toleranz
377 rechtsextreme Verdachtsfälle in der Zeit von Januar 2017 bis Ende März 2020 in den jeweiligen Behörden von Bund und Ländern mit ihren rund 300 000 Beschäftigten, so das Ergebnis der Analyse – für Seehofer ein Beleg dafür, dass es kein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus in den Reihen von Polizei und Geheimdiensten gebe. „Wir haben es mit einer geringen Fallzahl zu tun“, sagte er. Doch gelte es, wachsam zu sein, schließlich sei „jeder erwiesene Fall eine Schande“, warnte der Innenminister. Sie müssten konsequent und rigoros aufgeklärt und geahndet werden. Da dürfe es „keinerlei Toleranz“geben.
So habe es viele Hinweise aus den eigenen Reihen von Mitarbeitern gegeben. „Schauen Sie hin, verteidigen Sie die Verfassung“, forderte Seehofer. Dabei handele es sich nicht um Denunziantentum. Passive Mitläufer machten sich mitschuldig.
Ermittlungen
In 319 der 377 rechtsextremen Verdachtsfälle leiteten die Länderbehörden Ermittlungen
ein. Bei den Bundesbehörden waren es 58 Fälle. Deutlich höher lag die Zahl bei der Bundeswehr. Hier meldete der zuständige Militärische Abschirmdienst 1064 Fälle. „Jeder dieser Fälle ist ein Fall zuviel“, erklärte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang.
Zuletzt waren bei der Polizei in Hessen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Berlin Fälle mit rechtsextremistischem Hintergrund aufgedeckt worden und Chatgruppen von Polizeibeamten mit rechtsextremen Inhalten aufgeflogen. So hatten Ermittlungen im Ruhrgebiet und in der Hauptstadt zu fremdenfeindlichen Netzwerken in Messenger-Diensten geführt, die seit Jahren aktiv waren. Diese Fälle sind im Lagebericht des Bundesinnenministeriums noch gar nicht enthalten.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) wies am Dienstag darauf hin, dass Seehofers Analyse mit Zahlen bis Ende März nicht aktuell sei. Inzwischen habe man deutlich mehr Verdachtsfälle. Auch gingen neue Hinweise ein, die es zu prüfen gelte.
■ Studie abgelehnt
Eine Studie über möglichen Rassismus und Rechtsextremismus in den Reihen der Polizei lehnt Seehofer auch weiterhin ab. Er habe „uneingeschränktes Vertrauen“in die Sicherheitsbehörden, die erstklassige Arbeit leisteten, sagte er. Durch eine bundesweite
Untersuchung würden die Beamten einem Generalverdacht ausgesetzt, so der Innenminister. Stattdessen will Seehofer eine Studie über Rassismus in der gesamten Gesellschaft auf den Weg bringen. Vorwürfe, er wolle das Thema unter den Tisch kehren, verharmlose die Probleme, wies der CSU-Politiker zurück. Keine andere Regierung habe den Rechtsextremismus bisher „so klar identifiziert“.
Die Opposition bleibt dabei, hält eine Studie über Rassismus und Rechtsextremismus für überfällig. LinkenFraktionschefin Amira Mohamed Ali erklärte dazu, man könne hier nicht mehr von Einzelfällen sprechen. Es sei „nicht seriös“, das nach wie vor zu behaupten. Auch die Grünen fordern weiterhin eine bundesweite Untersuchung.