Digitales Zeitalter im Schweinestall
Sensoren am Borstenvieh sind ein schwieriges Thema – Forschung in Wehnen
Bad Zwischenahn-Wehnen – Nicht nur der Mensch, auch das Schwein erlebt mittlerweile die Digitalisierung seiner Lebensbereiche. Und wie für den Menschen hat auch für das Schwein das digitale Zeitalter gerade erst begonnen.
■ Die Sensor-Fragen
Die Fütterung hat in vielen Schweineställen heute bereits ein Automat übernommen. Auch die Klimatisierung des Stalls ist oft schon automatisiert. Bei den täglichen Tierkontrollen unterstützen stationäre Kameras den Landwirt. Noch ein großes Experimentierfeld aber ist die Sensortechnik im Schweinestall, die dem Landwirt eine wahre Datenfülle liefern soll. Doch welche Sensoren sind sinnvoll und eigenen sich? Wie reagiert das Schwein hierauf?
■ Das Frühwarnsystem
Philipp Hölscher vom Thünen-Institut in Braunschweig sieht großes Digitalisierungspotenzial in der Schweinehaltung. „Die Sensoren sind da, wir müssen sie nur an das Schwein bringen“, meint er, das allerdings sei sehr schwierig. „Das Verhalten von Schweinen ist anders als etwa das von Kühen. Sie sind neugieriger“, weiß Carmen Horstrup, seit Februar Leiterin der Versuchsstation für Schweinehaltung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen in Wehnen (Bad Zwischenahn), und sie suhlen sich gern, sind viel in Bewegung.
Wie die Zukunft einer digitalisierten Schweinehaltung funktionieren kann, soll in Wehnen mit einem bundesweiten Projekt, von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung gefördert, bis Anfang 2023 untersucht werden. „DigiSchwein“wurde das Projekt getauft. „Unser Ziel ist es, gewonnene Erkenntnisse per Wissenstransfer in die Praxis zu überführen“, erklärt Projektleiter Dr. Marc-Alexander Lieboldt. Dafür werden in den kommenden Monaten in einem ersten Schritt die Schweineställe in Wehnen baulich vorbereitet.
„Anschließend werden die Sensoren und Kameras installiert, die uns dann 24 Stunden Daten in Echtzeit liefern. Aus dieser vollständigen Tierkontrolle wollen wir ein Frühwarnsystem entwickeln“, beschreibt Lieboldt das Projekt. Dieses Frühwarnsystem soll Tierhalter z.B. in die Lage versetzen, schneller auf Krankheiten oder aggressives Verhalten sowie bevorstehende Geburten zu reagieren. Zwei Beispiele: Bewegen sich die Tiere weniger als üblich, kann das auf Krankheiten hindeuten. Sind sie aktiver als üblich, könnte das auf beginnendes Schwanzbeißen hindeuten. Bei beiden Warnungen kann der Landwirt schneller als bisher reagieren.
■ Am Ende die Software
Weitere Ziele: Effizienterer Einsatz von Betriebsmitteln und Umweltschonung durch weniger Gülle. Hierzu sind weitere Partner bei „DigiSchwein“dabei: Vom Thünen-Institut über die Uni Oldenburg, das Oldenburger OFFIS-Institut bis hin zur Tierärztlichen Hochschule Hannover.
„Am Ende des Projekts soll eine Farmmanagement-Software stehen, die die Schweinehalter in ihrer täglichen Arbeit mit Handlungsempfehlungen unterstützt – von der Geburt bis zum Ende der Mast“, umreißt Lieboldt das Projekt-Ziel. Und für das Schwein soll die digitale Technik ein Mehr an Gesundheit bringen. Hölscher vom Thünen-Institut formulierte seine Vision eines Prognosemodells kürzlich in Cloppenburg so: „Es soll erkennen: In einer Woche ist ein Tier krank.“Und für Horstrup von der Versuchsstation ist klar: „Ohne mehr Tierwohl zukünftig keine gesellschaftliche Akzeptanz der Arbeit des Landwirts.“