In Großstädten drohen schärfere Regeln
Kanzlerin vereinbart Corona-Strategie mit Oberbürgermeistern – Zahlen steigen in Metropolen
Berlin – Die Furcht vor einem Kontrollverlust in der CoronaPandemie wächst in der Politik wie im Gesundheitswesen angesichts massiv steigender Infektionszahlen. Im Fokus: Die großen Städte, in denen sich fast zwei Drittel des aktuellen Ansteckungsgeschehens abspielen. Dort wird sich, daran ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach einer Videokonferenz mit den Stadtoberhäuptern der elf größten Metropolen des Landes am Freitag keinen Zweifel, wohl entscheiden, wie Deutschland durch die Krise kommt.
Extremwert
Mancherorts sieht sie die Gefahr, dass die Entwicklung aus dem Ruder läuft. „Aber wir sind alles andere als ohnmächtig“, versichert Merkel. Die Kanzlerin forderte die Bürger eindringlich zur Mithilfe und zum Verständnis für wieder schärfere Beschränkungen auf. „Jetzt sind die Tage und Wochen, die entscheiden, wie Deutschland im Winter in dieser Pandemie dastehen wird.“Mit den Oberbürgermeisterinnen und -meistern verabredete sie eine gemeinsame Strategie, um die Corona-Infektionen im Griff zu behalten (siehe Infokasten).
Die Fallzahlen übertrafen am Freitag in Deutschland mit 4516 zum zweiten Mal in Folge die Marke von 4000. In Berlin, Bremen und Frankfurt wurden zuletzt mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner bezogen auf die vergangenen sieben Tage gezählt. Im Berliner Bezirk Neukölln wurde ein Extremwert von 133 Neuinfektionen gezählt. Köln oder Essen liegen nicht weit vom Grenzwert entfernt. München war erst jüngst mit harschen Regeln wieder unter diesen gedrückt worden. Für die hohen Ansteckungsraten in den Metropolen spielen vor allem größere öffentliche Feiern im Freien und kleinere private Festivitäten, draußen und in geschlossenen Räumen, eine Rolle. „Daraus entstehen weitere Infektionsketten“, warnte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller.
Mit Blick auf etliche Nachbarländer, in denen das CoronaGeschehen teils dramatisch aussieht, sagte Merkel: Sie möchte nicht, dass Deutschland das in den nächsten Monaten durchmachen müsse. Ein Herunterfahren des öffentlichen Lebens wie im Frühjahr soll es nicht mehr geben. Priorität hat, Wirtschaft und Arbeitsplätze zu sichern und die Einrichtungen für Kinder und Jugendliche am Laufen zu halten. „Wir haben bewiesen, dass wir gegen das Virus zusammenhalten können. Das sollten wir auch weiter tun“, appellierte Merkel an die Bürger. Vermeiden will die Kanzlerin Grenzschließungen. „Nein, das wollen wir nicht“, sagte sie. Mit den anvisierten Maßnahmen lasse sich ein Infektionsanstieg vermeiden.
Appell von Merkel
Sorge bei Medizinern
Zunehmende Sorge gibt es bei Medizinern, ob Krankenhäuser und Gesundheitswesen ausreichend für einen Anstieg der Corona-Zahlen gewappnet sind. Prof. Dr. Ulrich Frei von der Berliner Charité und sein Frankfurter Kollege Prof. Dr. Jürgen Graf warnten, der „Knackpunkt“sei das Fehlen von geeignetem Personal auf Intensivstationen. In manchen Hospitälern wird inzwischen damit begonnen, Eingriffe bei Patienten mit anderen Krankheiten zu verschieben.