Schnappatmung in der Herberge
Ja, geht’s noch? In Niedersachsen müssen Hoteliers und Pensionsbetreiber jetzt täglich auf die Internetseite des Landes gucken, um zu sehen, aus welchen Regionen sie Urlauber aufnehmen dürfen. Am Freitag stand diese Liste erst gegen 17 Uhr online. Dabei hat Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil noch vor wenigen Tagen Gastronomie und Hotellerie gelobt für ihre großen Anstrengungen, um die Hygieneund Abstandsregeln einzuhalten. Nun gilt die „Niedersächsische Corona-Beherbergungs-Verordnung“, die bei den Vermietern für Schnappatmung sorgen dürfte.
Sicher: Angesichts des steigenden Corona-Infektionsgeschehens muss die Politik gegensteuern. Weil spricht von einem „Pull-Effekt“. Danach würden die beliebten Reiseorte zwischen Küste und Harz die Menschen aus den Corona-Hotspots mangels Alternativen geradezu anziehen. Diese Reisetätigkeit gelte es zu unterbinden. Das Argument ist schlüssig. Aber muss man dafür Menschen aus einer bestimmten Region unter Generalverdacht stellen? Zumal sich die Verordnung leicht umgehen lässt. Wer will überprüfen, wenn der Tourist wochentags in einem Corona-Hotspot arbeitet, in seinem Personalausweis aber ein anderer Wohnort steht, fragt zu Recht etwa Langeoogs Bürgermeisterin Heike Horn.
Fakt ist: Wieder einmal wird die Verantwortung auf die kommunale Ebene verlagert. Wenn sich Ministerpräsidenten und -präsidentinnen sowie Kanzlerin nicht einigen können, preisen sie den Föderalismus. Tatsächlich ist es ein Flickenteppich in Sachen Gesundheitsschutz. Wer soll da noch den Überblick behalten, was von Schleswig-Holstein bis Bayern gerade erlaubt ist? Oder in welchem Berliner Bezirk gerade welcher Inzidenzwert aktuell ist?
Dabei hat Niedersachsen mit der Entschlackung seiner Corona-Verordnung doch gezeigt, dass es einfacher geht. Selbst wenn die Obergrenze von 25 Personen in Privathaushalten nicht bei allen auf Gegenliebe stößt. Aber die Linie ist klar. Der bundesweite Regelwirrwarr dagegen führt zu einer sinkenden Akzeptanz der Corona-Maßnahmen. Die Erfahrung zeigt: Je mehr Regeln, desto mehr Versuche, sie zu umgehen. Das kann bei einer Pandemie-Bekämpfung nicht gewollt sein.
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