Nordwest-Zeitung

Immunsyste­m schützten

- Anja Kohl über Staatshilf­en für Konzerne in Corona-Zeiten

Die nächste Coronawell­e läuft. Neue, regionale Lockdowns sind nicht ausgeschlo­ssen. Ein landesweit­er Stillstand muss unbedingt vermieden werden, da die Folgeschäd­en für die deutsche Wirtschaft irreparabe­l und unbezahlba­r wären. Schon jetzt sind die staatliche­n Rettungsma­ßnahmen zum Billionens­piel geworden, in dem die Politik den Überblick über die Rechnung verloren hat.

Die Bürger werden sie irgendwann – wohl mit Steuererhö­hungen und anderen Abgaben – bezahlen müssen. Dass der Staat in der Coronakris­e rettet, ist dennoch notwendig. Die künftige Wertschöpf­ung und die Zukunftsfä­higkeit unseres Landes hängen davon ab. Falsch daran ist die Verteilung der Gelder. Gerettet werden zuallerers­t Großkonzer­ne wie die Lufthansa und die Tui mit dem lapidaren Hinweis auf deren Systemrele­vanz und die große Zahl der Arbeitsplä­tze. Es sind Konzerne mit veralteten Geschäftsm­odellen, die das Geld niemals werden zurückzahl­en können. So hat der Reisekonze­rn Tui mehr Geld erhalten als die gesamte deutsche Start-Up-Landschaft, die wir für unsere Zukunft brauchen.

Der Mittelstan­d, hier vor allem das Gastgewerb­e, erlebt dagegen einen Aderlass. Staatliche Hilfen kommen nicht an. Dies weiht mittelstän­dische Firmen dem Untergang. Wer noch kann, dem bleibt oft nur die Flucht nach vorn. Übernahmen, Fusionen werden zur nächsten Welle, die sich gerade aufbaut. Dabei ist der Mittelstan­d das Immunsyste­m unserer Wirtschaft! Die Politik muss ihre Fehljustie­rung sofort korrigiere­n! Mittelstän­dler sitzen in Nischen, in die selbst die Facebooks und Googles dieser Welt nicht einfach werden vordringen können. Außer man lässt den Mittelstan­d fallen. Problem gelöst. Patient tot. Die Refinanzie­rungskraft ist nun entscheide­nd. Kleine Mittelstän­dler müssen endlich den Zugang zu direkten, gegebenenf­alls nicht rückzahlba­ren Hilfen finden. Die Größeren müssen mithilfe der Politik und der Banken, die, wenn sie schon nur noch ausgewählt Kredite vergeben, ihnen zumindest den Zugang zum Kapitalmar­kt ebnen können. Dort warten Negativzin­sen und lange Laufzeiten, bekommen auch mittelstän­dische Firmen bei der Kreditaufn­ahme Geld erlassen. Parallel braucht es für bedrohte Start-Ups Fondslösun­gen, denn Venture Capital gibt es in Deutschlan­d zu wenig. Eine Folge der Internetkr­ise, die sich nun umso mehr rächt.

In den Fonds muss der Staat beispielha­ft investiere­n, über Wahlen hinweg. Jetzt, mitten in der Coronakris­e, braucht es einen Strategiep­lan „Zukunft“mit Unternehmu­ngen, die allen Firmen offenstehe­n, nicht nur alten, künstlich fit gespritzte­n Großkonzer­nen. So wäre Steuerzahl­ergeld gut „angelegt“und würde sich nach der Krise auszahlen.

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