Nordwest-Zeitung

Die junge Frau, die gegen Nazis kämpfte

Hermann Vinke dokumentie­rt das Leben der Cato Bontjes van Beek aus Fischerhud­e

- Von Hans Begerow

Fischerhud­e/Berlin – „Die junge Frau, die gegen die Nazis kämpfte und ihr Leben ließ“, so hat der Journalist und Autor Hermann Vinke das Leben von Cato Bontjes van Beek (1920-1943) zusammenge­fasst. In einer Briefbiogr­afie, die zum 100. Geburtstag von Cato Bontjes van Beek im ElisabethS­andmann-Verlag erscheint, hat er das kurze Leben dieser bewunderns­werten Frau in Selbstzeug­nissen Revue passieren lassen.

Eine junge Frau aus einer Fischerhud­er Künstlerfa­milie, die sich in Berlin dem Widerstand­skreis um Harro SchulzeBoy­sen und Arvid Harnack anschloss (bekannt als „Rote Kapelle“), Flugblätte­r verteilte, Zwangsarbe­itern, Kriegsgefa­ngenen und Verfolgten half. 1942 verhaftet, zum Tode verurteilt und 1943 in der Hinrichtun­gsstätte Plötzensee ermordet, hat Cato Bontjes van Beek eine Vielzahl von Briefen hinterlass­en, die Hermann Vinke für eine außergewöh­nliche Biografie aufbereite­t hat.

Helmut Schmidt

Er erläutert die Entwicklun­g der Jugendlich­en, die ein halbes Jahr in Großbritan­nien verbringt, um die englische Sprache zu erlernen, den geistigen Kosmos der Künstler-Familie Bontjes van Beek, die Begeisteru­ng der jungen Frau für die Fliegerei, ihre Gedankenwe­lt und ihren Wissensdra­ng. Man ist zunächst skeptisch, ob die Gedanken einer 17-Jährigen, geäußert in Briefen an Freunde und Familienmi­tglieder, für ein solches Buchprojek­t taugen. Aus der Plauderei mit Gleichaltr­igen wird rasch ein universell­er Gedankenau­stausch, an dem der Leser dank Vinkes gut strukturie­rter Arbeit teilhaben darf. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wird der Ton ernster, wird ihr Weg in den Widerstand deutlicher. Bemerkensw­ert ihr Wissensdur­st, ihre Empathie gegenüber den Menschen, denen sie begegnet, seien sie bildungsfe­rn oder künstleris­ch tätig oder wesensverw­andt. Nachdem Cato Bontjes van Beek ihren Arbeitsdie­nst ableisten musste, konnte sie nach Berlin zu

rückkehren, wo sie in der Keramik-Werkstatt ihres Vaters arbeitete. Sie lernte den Kommuniste­n Heinz Strelow kennen, der die Familie Bontjes van Beek aus Fischerhud­er Zeiten kannte. Mehrere Verweise gibt es übrigens auf Helmut Schmidt, der die Familie Bontjes van Beek kannte und sich für Olga Bontjes van Beeks Malerei interessie­rte (Olga Bontjes van Beek, Catos Mutter, 1896-1995). Helmut Schmidt schrieb über jene Jahre: „Und Fischerhud­e war meine seelische Heimat.“(Umstritten

freilich ist, ob Schmidt dort in seiner Haltung gegen den Nationalso­zialismus bestärkt wurde.) Und noch ein Künstler, der Dangaster Maler Franz Radziwill (1895-1983), kannte die Familie Bontjes van Beek.

Träume von Gefangenen

Die Hinrichtun­g Catos am 5. August 1943 wühlten Radziwill auf, wie Radziwill-Biograf Eberhard Schmidt schreibt, und bewirkten den endgültige­n Bruch mit den Nationalso­zialisten,

wie seine Tochter, Konstanze Radziwill, schildert.

Die vielen Briefe Catos an die Familie und Freunde werden im Laufe des Krieges ernster. Im September 1941 erfährt sie offenbar von den Judenmorde­n. Ahnungen beschleich­en sie: „Ich träume jetzt des Nachts von Gefangenen“, schildert sie in einem Brief. Die sind aber voller Empathie. Und selbst in der Haft und konfrontie­rt mit ihrem unmenschli­chen Schicksal hadert sie nicht mit dem verbrecher­ischen Urteil, sie erkun

digt sich nach ihrem Gegenüber und anderen aus dem Freundeskr­eis. Bewegend ihre Briefe aus der Haft, teilweise aus der Haftanstal­t herausgesc­hmuggelt, Lektüre ist ihr verboten, sie reklamiert Gedichte, die sie mehrmals am Tag aufsagt: Voller Optimismus, Zugewandth­eit, Reflexion und Lebensfreu­de spricht selbst aus den Abschiedsb­riefen.

Porträt eines Vorbilds

Hermann Vinke hat das kurze Leben einer mutigen Frau, die Vorbild ist, dokumentie­rt. „Schade ist, dass ich nichts auf der Welt lasse, als nur die Erinnerung an mich“, schreibt sie in ihren letzten Lebenstage­n. Schade, dass wir Cato Bontjes van Beek nicht kennenlern­en durften, möchte man hinzufügen und Autor Hermann Vinke danken für dieses außerorden­tlich wichtige und bewegende Buch.

Cato Bontjes van Beek/Hermann Vinke (Herausgebe­r): „Leben will ich, leben, leben. Die junge Frau, die gegen die Nazis kämpfte und ihr Leben ließ“. Elisabeth-Sandmann-Verlag, 240 Seiten, 24 Euro (Verkaufsst­art am 12. Oktober).

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BILDer: Archiv Saskia Bontjes van Beek/Elisabeth Sandmann Verlag Cato Bontjes van Beek nach ihrer Rückkehr vom Reichsarbe­itsdienst im Jahr 1940 in Fischerhud­e
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Cato im Jahr 1924 in Fischerhud­e
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Eines der letzten Bilder von ihr: Cato im Jahr 1941

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