Klimawandel auf der Spur
Expedition der Superlative endet nach 389 Tagen in Bremerhaven
Eine Expedition der Superlative – und ihren Ursprung und ihr Ende hat sie hier im Nordwesten: Ein Jahr lang hatten Wissenschaftler unter Leitung des Bremerhavener Alfred-Wegener-Institutes wichtige Daten zum Klimawandel in der Arktis gesammelt. Am Montag kehrten sie mit dem deutschen Forschungsschiff „Polarstern“zurück – überglücklich und auch unversehrt. Letzteres war bei gefühlten minus 65 Grad Celsius nicht selbstverständlich, vor allem die Fingerkuppen waren im arktischen Winter gefährdet. Was die Forscher auf ihrer außergewöhnlichen Reise noch erlebt haben und warum ihre Arbeit für uns bedeutsam ist, lesen Sie auf
Bremerhaven – Sie froren bei minus 42 Grad Celsius, trotzten mächtigen Stürmen, arbeiteten rund 150 Tage in völliger Dunkelheit und erlebten im Sommer eine historische Meereisschmelze: Internationale Wissenschaftler waren ein Jahr lang auf dem deutschen Forschungsschiff „Polarstern“in der Zentralarktis unterwegs. Am Montag kehrte der Eisbrecher von der Expedition namens „Mosaic“zurück in seinen Heimathafen Bremerhaven. Ein Schiffskorso und zahlreiche Schaulustige an Land begleiteten das Einlaufen der „Polarstern“. Am 20. September 2019 hatte die Fahrt in Norwegen begonnen.
Noch alle Finger dran
„Sie sehen mich überglücklich“, sagte Expeditionsleiter Markus Rex nach der Ankunft. Die Fahrt sei ein voller Erfolg gewesen, es seien Unmengen an Daten gewonnen worden, die nun noch über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte die Wissenschaft beschäftigen würden. Froh sei er aber auch, dass die Menschen an Bord alle ihre Finger behalten hätten, „weil es bei einem auf der Kippe stand“. Die gefühlte Temperatur lag zeitweise bei unter minus 65 Grad Celsius.
Fast zehn Monate lang driftete der Eisbrecher angedockt an eine riesige Eisscholle durch das Nordp olarmeer – nach dem Vorbild der Reise des Norwegers Fridtjof Nansen mit dem Segelschiff „Fram“vor rund 125 Jahren. Route und Geschwindigkeit bestimmte die
Drift des Eises, getrieben von Wind und Strömung. Die Forscher konnten so den Eiszyklus vom Gefrieren bis zur Schmelze messen und dokumentieren. Normalerweise ist die winterliche Arktis unzugänglich.
Die Wissenschaft verspricht sich von den Daten und Proben von Eis, Schnee, Ozean und Atmosphäre wichtige Erkenntnisse. Die Arktis gilt als Frühwarnsystem für Klimaveränderungen, sie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten von allen Erdregionen am stärksten erwärmt. So war sie zu Zeiten Nansens im Winter noch zehn Grad kühler.
Mit 140 Millionen Euro Budget war es die bisher teuerste und logistisch aufwendigste Expedition in die zentrale Arktis. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) kündigte an, zusätzliche 10 Millionen Euro für die Auswertung der Daten zur Verfügung zu stellen, um möglichst schnell erste Ergebnisse vorliegen zu haben.
Rund 450 Menschen aus aller Welt waren etappenweise
Markus Rex,
an Bord der „Polarstern“. „Dieses Jahr hat niemanden unverändert gelassen“, sagte Rex. Die Eindrücke prägten jeden. Im Unterschied zur „Fram“war das Schiff aber nicht auf sich allein gestellt. Andere Eisbrecher versorgten es regelmäßig mit neuem Personal, Lebensmitteln, Material und Treibstoff. Geplant war im Frühjahr auch ein Austausch per Flugzeug. Wegen der Corona-Pandemie und den Reisebeschränkungen war das aber nicht möglich.
Am Rand des Abbruchs
Corona habe die Expedition „an den Rand des Abbruchs gebracht“, betonte Rex. Weltweit mussten Forschungsschiffe ihre Fahrten wegen der Pandemie beenden. „Mosaic“aber konnte fortgesetzt werden: Die „Polarstern“unterbrach nur für kurze Zeit ihre Drift, um die neue Mannschaft in Spitzbergen an Bord zu nehmen. Die „Polarstern“kehrte zurück an ihre Scholle und setzte die Drift fort.
In den folgenden beiden Expeditionsetappen setzte im sommerlichen Nordpolarmeer eine nie gekannte Meereisschmelze ein. „Wir haben gesehen, wie das Eis der Arktis stirbt“, sagte Rex.
Wir haben gesehen, wie das Eis der Arktis stirbt. Expeditionsleiter