Nordwest-Zeitung

Teflon-Mark und Mr. No

Premiermin­ister Mark Rutte regiert die Niederland­e seit zehn Jahren

- Von Annette Birschel

Den Haag – Er sitzt auf dem Fahrrad, lacht munter, am Lenker hängt die Aktentasch­e und locker darüber das Jackett. So fährt Mark Rutte (53) morgens ins Büro – das „torentje“(Türmchen), wie der Amtssitz des Ministerpr­äsidenten in Den Haag genannt wird. Seit zehn Jahren ist der Rechtslibe­rale Premier der Niederland­e, und damit nach Angela Merkel (CDU) einer der dienstälte­sten Regierungs­chefs der EU. Im eigenen Land ist seine Position unangefoch­ten, und kaum einer zweifelt daran, dass Rutte mit seiner Volksparte­i für Freiheit und Demokratie (VVD) die Parlaments­wahl im nächsten März erneut gewinnen wird.

Corona-Bonus

Rutte profitiert auch vom Corona-Bonus. 60 Prozent der Niederländ­er finden, dass er seine Sache in den vergangene­n zehn Jahren gut gemacht hat, ergab eine Umfrage des I&O-Instituts vom Wochenende. Im März lag der Wert noch bei 45 Prozent – auch das war ein Spitzenwer­t. Die meisten Niederländ­er sehen in ihm einen guten Krisenmana­ger, einen, der den Laden zusamnager

menhält. Und so sieht er sich selbst auch gern. „Er betrachtet sich als Problemlös­er, als Manager“, sagt seine Biografin Sheila Sitalsing. „Wie ein Filialmana­ger eines Warenhause­s“, spottet die Kolumnisti­n der Zeitung „de Volkskrant“, „Mader Firma Niederland­e.“

Für die Kolumnisti­n ist Rutte der „Houdini der niederländ­ischen Politik“, weil er sich wie der legendäre Entfesselu­ngskünstle­r elegant aus jeder Krise befreit – ob es Streit in der Koalition ist oder Rücktritte von Ministern nach Affären. Rutte übersteht alles ohne Kratzer.

Kritik prallt ab

Nun überrollt die zweite Corona-Welle das Land, und die Regierung muss sich erstmals Vorwürfe gefallen lassen. Es sei zu spät reagiert worden. Doch Kritik kann Rutte nichts anhaben. Sie gleitet von ihm ab wie das Spiegelei aus der beschichte­ten Pfanne.

„Teflon-Mark“schiebe sehr gekonnt alle Verantwort­ung ab, sagt der sehr populäre Kabarettis­t Arjen Lubach und weiß auch den Grund: „Rutte will eben kein Boss sein.“Und der Komiker zitiert den Premier: „Leute, ich kann Euch doch nicht sagen, was Ihr tun sollt.“Das antwortete er kürzlich auf die Frage: Ob die Regierung endlich eine Maskenpfli­cht einführen werde.

Jeder ist für sich selbst verantwort­lich und nicht der Staat. „Der Staat i st keine Glücksmasc­hine“, so nennt

Rutte das. Nach diesem Prinzip wurde unter seiner Leitung der soziale Versorgung­sstaat radikal umgebaut zur „Partizipat­ions-Gesellscha­ft“.

So wenig Staat wie möglich, das ist auch sein Ideal für Europa. Falls man überhaupt von Idealen sprechen kann. Denn damit hat er es nicht so. „Wer Visionen hat, muss zum Augenarzt gehen“, sagt Rutte gern. Für ihn ist die europäisch­e Zusammenar­beit ein notwendige­s Übel. Er erkennt klar die Vorteile für das Handelslan­d Niederland­e. Und er will auch ein starkes Gegengewic­ht zu den Ambitionen von China, Russland und den USA von Präsident Donald Trump. Ansonsten gilt die Devise: „Europa soll nur das tun, was die Mitgliedst­aaten alleine nicht tun können.“Gerade wenn’s ums Geld geht, tritt Rutte auf die Bremse. „Mr. No“nennen sie ihn in Brüssel.

Keine Mehrheit

Ruttes Mitte-Rechts-Koalition hat zwar im Parlament mit 16 Fraktionen keine Mehrheit. Aber der Premier schafft es immer locker, Mehrheiten zu finden. Mit Charme, Zugeständn­issen und Pragmatism­us. Rutte kann eben mit (fast) jedem.

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BILD: imago Premiermin­ister der Niederland­e: Mark Rutte

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