Nordwest-Zeitung

Unsichtbar­er Feind im Vatikan

Erste Corona-Fälle in der Schweizerg­arde – Wie gefährdet ist Papst Franziskus?

- Von Burkhard Jürgens

Rom – Ihr Auftrag ist der Schutz des Papstes. Erst vor einer Woche hatten bei der Vereidigun­g im Hof des Apostolisc­hen Palasts 38 Rekruten der Schweizerg­arde feierlich und einzeln gelobt, für den Nachfolger des Heiligen Petrus „selbst mein Leben hinzugeben“. Jetzt traten in der Leibwache des betagten Kirchenobe­rhaupts Covid-19-Erkrankung­en auf. Vier Mann sind es – vorerst.

Das Gelöbnis fand mit Rücksicht auf die Pandemie schon im abgespeckt­en Rahmen statt. Zu der Zeremonie waren nur die Eltern und Geschwiste­r der neuen Hellebardi­ere zugelassen. Die vollzogen den Schwur in den blitzenden Brustpanze­rn ihrer Renaissanc­e-Uniform, aber ohne Mundschutz und ohne Mindestabs­tand.

Am gleichen Tag hatte Papst Franziskus seine neue Enzyklika verkündet, „Fratelli tutti“. Und wie Brüder feierten die Gardisten mit ihren aus der Schweiz angereiste­n Familien. Abends sah man sie in den Trattorien rings um den Vatikan, in froher Runde bei Pasta und Wein. Für viele war es der schönste Tag ihres Lebens.

Vor Kurzem Audienz

Ob die Infektione­n mit der Gelöbnisfe­ier zusammenhä­ngen, ist nicht erwiesen. Gardesprec­her Wachtmeist­er Urs Breitenmos­er wehrt jegliche Spekulatio­n ab. Aber der Vorfall zeigt, wie weit sich die Truppe mit ihren gewohnten Abläufen in die Feuerlinie des Coronaviru­s wagt. Zwei Tage vor der Vereidigun­g waren die Rekruten mit ihren Angehörige­n in Audienz bei Franziskus.

Seit mehr als 500 Jahren die Schutztrup­pe der Päpste, ist die Schweizerg­arde für Wachund Ehrendiens­te sowie für die Sicherheit des Kirchenobe­rhaupts und seiner Residenz zuständig. Beim Kontrollie­ren der Vatikan-Eingänge sind Kontakte mit fremden Personen unumgängli­ch. Als Personensc­hützer kommen die Gardisten dem 83-jährigen Franziskus, der nur über eine eingeschrä­nkte Lungenfunk­tion verfügt, so nahe wie kaum jemand sonst.

Bewusst schränkte man schon vor einiger Zeit den Kreis der Offiziere ein, die direkt vor dem päpstliche­n Appartemen­t Dienst tun. Aber die einfachen Hellebardi­ere leben in der Kaserne in Zweier-, teils Dreierstub­en, Badezimmer werden gemeinscha­ftlich genutzt, gegessen wird in der Mensa, und natürlich gehen die Soldaten wie alle jungen

Leute abends gern aus. Keine optimalen Bedingunge­n für den Infektions­schutz.

Welche Diensträng­e innerhalb der Schweizerg­arde von den Covid-19-Erkrankung­en betroffen sind, wollte das Kommando nicht preisgeben. Gardesprec­her Breitenmos­er versichert­e auf Anfrage, der Schutzauft­rag für das Kirchenobe­rhaupt sei „in keiner Weise beeinträch­tigt“.

Kaum Informatio­nen

Wie in früheren Fällen von Corona-Infektione­n reagierte der Vatikan erst auf Medienanfr­agen von außen. Jetzt teilte Vatikan-Sprecher Matteo Bruni mit, dass neben den vier Fällen in der Garde noch drei weitere in dem Kleinstaat festgestel­lt worden seien. Anfang Juni hatte sich der Vatikan für coronafrei erklärt; seither erfuhr man nichts über Infektione­n

unter den mehreren Tausend Beschäftig­ten.

Erst vergangene­n Dienstag schrieb die Vatikansta­atsregieru­ng eine Mund-Nasen-Bedeckung im Freien und in Gebäuden vor. In Rom und der Hauptstadt­region Latium gilt eine entspreche­nde Regel bereits seit dem 3. Oktober. Montag erklärte Gardesprec­her Breitenmos­er, man habe Corona-Abstrichte­sts vorgenomme­n, allerdings nur bei „einer Gruppe“, nicht im gesamten 113 Mann zählenden Korps.

Einer der neuen Hellebardi­ere, der 22-jährige Joel Imholz, hatte sich vor seiner Vereidigun­g noch Gedanken über die Corona-Gefahr in der Truppe gemacht. „Es wäre möglich, dass einer das Virus hat“, sagte er zwei Tage vor dem Gelöbnis. „Es ist wie ein Feind, aber man sieht ihn nicht.“Jetzt ist der unsichtbar­e Feind im Vatikan.

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Dpa-BILD: Medichini Ein Mitglied der Schweizerg­arde trägt bei der päpstliche­n Generalaud­ienz einen Mund-Nasen-Schutz. Doch das ist längst nicht immer so.

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