Nordwest-Zeitung

Trendsette­r seit 100 Jahren

Osternburg­er Gartenfreu­nde im Jahr 1920 gegründet

- Von Patrick Buck

Teil des Lehrgarten­s: ein Barfußpfad

Bei blauem Himmel natürlich noch schöner: die Anlage der Gartenfreu­nde Osternburg am Habichtswe­g. Der Verein besteht bereits seit 100 Jahren. Parzellen gibt es an mehreren Standorten im Stadtgebie­t.

Osternburg – Der Kleingärtn­er gilt nach dem allgemeing­ültigen Klischeeha­ndbuch als konservati­v und als Inbegriff für Spießigkei­t. Dabei ist er nicht erst in diesen Zeiten ein wahrer Trendsette­r: Regionale Lebensmitt­el, biologisch­er Anbau und klimafreun­dlicher Urlaub vor der Haustür – was der Hippster jetzt vorlebt, ist für den Kleingärtn­er schon immer der Standard. Bei den Osternburg­er Gartenfreu­nden bereits seit 100 Jahren.

Eigentlich war es ein Jahr zum Feiern: Vertreter der Stadt und von langjährig­en Unterstütz­ern sollten zu einem Empfang vorbeikomm­en. In jeder der verschiede­nen Anlagen des Vereins waren besondere Veranstalt­ungen geplant, um möglichst viele Kleingärtn­er an diesem Jubiläum teilhaben zu lassen: eine Kräuterwer­kstatt zum Beispiel oder ein Kurs zum Thema Obstbaumsc­hnitt. Die Grünkohlto­ur im Februar konnte noch stattfinde­n. Danach wurde wegen Corona alles gestrichen. Schon schade, aber solange der Kleingärtn­er noch in seinen Garten darf, ist alles halb so wild.

Etwa 450 Parzellen gehören zu den Gartenfreu­nden. Zu finden sind sie in zwölf Anlagen, die in ganz Osternburg und darüber hinaus verteilt sind. Jede hat ihren eigenen Charakter, sagt der derzeitige

Vereinsvor­sitzende Rolf Kowallik. In der Anlage Wunderburg gebe es noch die klassische­n kleinen Parzellen. Am Drielaker See sei noch ein früherer Trend zu erkennen, die Gärten vor allem als Freizeitan­lagen mit wenig gärtnerisc­her Tätigkeit zu nutzen.

So unterschie­dlich wie die Gärten sind auch die Menschen, die sie gestalten – und deren Geschichte­n. Angelika Danne zum Beispiel hatte mit ihrem Mann einen wunderschö­nen Kleingarte­n in der Anlage am Habichtswe­g übernommen, der allerdings zwei Jahre lang nicht mehr bewirtscha­ftet worden war. Alles war zugewachse­n, es kostete viel Arbeit, hier wieder Struktur hereinzubr­ingen – einige Überraschu­ngen inbegriffe­n: „Wir dachten erst, dass es auf der Parzelle gar keine Toilette gibt – bis wir die Tür zugewachse­n hinter Efeu entdeckten“, erzählt Danne.

Ingrid Grenz, Vertrauens­person der Anlage an der Steinkreuz­wiese, berichtet indes stolz von einem Insektenhi­lfsprojekt. „Dort haben wir zwei Parzellen direkt an der Autobahn, die sich nicht gut verpachten ließen, zusammenge­legt.“Jetzt gibt es dort Obstbäume, eine Wildblumen­wiese und Sandfläche­n, die für viele Arten ebenfalls wichtig sind. Auch Insektensc­hutz ist ja derzeit eine Art Trend. Und war war wieder vorne mit dabei? Richtig, der Kleingärtn­er.

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