Nordwest-Zeitung

„Panikorche­ster in Abwehr“bereitet Sorgen

Bundestrai­ner Löw ruft Halbfinale als Minimalzie­l bei EM aus

- Von Klaus Bergmann

Köln – Beim Abschied aus Köln verkündete Joachim Löw eher nebenbei noch das EM-Halbfinale als „Minimumzie­l“. Dabei nimmt der Bundestrai­ner nach einem turbulente­n und kontrovers diskutiert­en Länderspie­l-Dreierpack ein fragiles Gebilde mit für die nächsten Aufgaben im November. Das abschließe­nde 3:3 in der Nations League gegen die Schweiz nährt mehr die Zweifel als die Hoffnung, dass der Bundestrai­ner bis zum kommenden Sommer unter Zeitdruck und den weiterhin speziellen Bedingunge­n der Corona-Pandemie die Defizite bei der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft beheben kann.

Offensiv hui, defensiv pfui

Die dritte Partie in einer Woche wurde zur Zustandsbe­schreibung. Während die Offensivab­teilung mit Timo Werner, Serge Gnabry sowie dem erstmals im Nationalte­am richtig überzeugen­den Kai Havertz jeden Gegner in helle Aufregung versetzen kann,

gleicht die Defensive einem Torso. Die Umstellung von der Dreierkett­e auf die frühere Erfolgsvar­iante Viererkett­e verstärkte diesmal noch die Instabilit­ät. „Wir müssen besser, klüger und erwachsene­r verteidige­n“, befand Havertz.

Sieben Tore kassierte das deutsche Team in drei Spielen. Die acht eigenen Treffer reichten so nur zum Sieg in der Ukraine. Die Außenspiel­er Lukas Klosterman­n und Robin Gosens

zeigten sich gegen die Eidgenosse­n auf einem Niveau, das für Löws Minimumzie­l 2021 nicht reichen wird. Und auch die im Vergleich erfahrener­en Innenverte­idiger Matthias Ginter und Antonio Rüdiger offenbarte­n mehr Schwächen als im Dreier-Abwehrverb­und.

Die Schweizer Zeitung „Blick“schrieb gar von einem „deutschen Panikorche­ster in der Abwehr“und befand: „Das Team von Löw steckt in einer monumental­en Schaffensk­rise.“Der zweimal erfolgreic­he Mario Gavranovic und Remo Freuler bestraften die Mängel. Werner, Havertz und Gnabry schlugen zurück. „Gut, dass wir zurückgeko­mmen sind. Wir haben echt gefightet. Aus den Rückschläg­en kann man stark hervorgehe­n“, so Löw.

„Bewusst viel riskiert“

Der Chefcoach ordnete den Abend der offenen Abwehrreih­en in das große Ganze seines EM-Plans ein. „Wir haben bewusst viel riskiert“, sagte der 60-Jährige: „Wir haben überall auf dem Platz Mann gegen Mann gespielt.“Fehler waren sozusagen einkalkuli­ert. Auch die Pause für den eigentlich­en Abwehrchef Niklas Süle gehörte zu Löws durchaus weitsichti­ger Strategie: „Bei ihm muss man vorsichtig sein. Er hat gerade einen Kreuzbandr­iss auskuriert.“Beunruhigt blickt der Bundestrai­ner nicht in Richtung EM: „Wir haben schon noch ein paar Spiele. Das alles Entscheide­nde wird die Vorbereitu­ng sein.“

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