Sensationsfund in Oldenburg
2500 Jahre alte Scherben an der Kurwickstraße bei Bauarbeiten entdeckt
Oldenburg – Bei Bauarbeiten in der Oldenburger Innenstadt sind Spuren von Menschen entdeckt worden, die sich an dieser Stelle vor etwa 2500 Jahren aufgehalten haben müssen. Ob sie tatsächlich auf dem Hintergrundstück an der heutigen Kurwickstraße für einen längeren Zeitraum gelebt haben, ist ungewiss, sagt die Archäologin Claudia Maria Melisch (52) aus Berlin.
Fakt ist, dass im Bereich der jetzigen Innenstadt bislang keine Spuren von Menschen gefunden worden sind, die sich dort vor Tausenden von Jahren aufgehalten hatten. Die 52-Jährige hat die Funde gesichtet, vermessen und katalogisiert.
Entdeckt wurden in der Baugrube die Scherben eines sogenannten Harpstedter Rautopfes, der in der Eisenzeit von der an der Mittelweser beheimateten Harpstedt-Nienburger Gruppe hergestellt und benutzt wurde. Ein paar Meter weiter stieß die Archäologin mit ihrem Grabungsmitarbeiter auf die Überreste einer zerbrochenen Urne, in der sich die hellen Überreste eines Leichenbrandes fanden.
Im Jahr 1000 vor Christi wechselten laut Melisch die Eisenzeit-Menschen von der Körper- zur Feuerbestattung. Dazu schichteten sie mannshohe luftdurchlässige Holzstapel auf, die beim Verbrennen Temperaturen von 1000 Grad entwickeln konnten. Genug, um den Körper eines Menschen nahezu rückstandslos zu verbrennen.
Das Grundstück ist im Besitz des Oldenburger Bauunternehmers Lambert Lockmann, der auf dem Gelände einen Neubau mit 15 Mietwohnungen errichten möchte. Die Fertigstellung ist für Ende 2021 geplant. Die Erdarbeiten gingen auf dem Gelände weiter, während die Archäologen noch auf der Suche nach weiteren Hinweisen auf die Eisenzeit waren. Bis zu diesem Mittwoch dürfte alles zugeschüttet worden sein.
Auf wesentlich ältere Spuren, nämlich aus der Steinzeit, waren Archäologen vor zwölf Jahren bei der Erschließung des Baugebiets Bloherfelder Anger am westlichen Stadtrand von Oldenburg gestoßen. Die Fundstücke stammten aus der mittleren Steinzeit (etwa 8000 bis 5000 vor Christus).
Oldenburg – Muss die Geschichte der Stadt umgeschrieben werden? Das wohl eher nicht, aber die archäologischen Funde auf der Baustelle in der Kurwickstraße können dennoch durchaus als kleine Sensation gewertet werden. „Es sind die ersten Funde im Bereich der heutigen Innenstadt Oldenburgs, die aus der Zeit vor Christi Geburt stammen“, weiß die selbstständige Archäologin Claudia Maria Melisch (52) aus Berlin. Möglicherweise lebten schon 2000 Jahre vor Graf Anton Günther (1583 bis 1667) Menschen auf dem Gebiet des heutigen Stadtzentrums, das ist eine neue Erkenntnis. Das Alter der Fundstücke datiert sie auf das vierte bis zweite Jahrhundert vor Christi Geburt.
Arbeiten auf Grundstück
Bei den Erdarbeiten auf dem Hintergrundstück, auf dem einst die Lieferfahrzeuge der Fleischerei Monse abgestellt wurden, sind Scherben aufgetaucht, die aus dieser Zeit stammen. Sie gehören zu einem Harpstedter Rautopf aus der Eisenzeit. Hergestellt wurden diese Gefäße von der Harpstedt-Nienburger Gruppe in der frühen Eisenzeit (etwa ab 750 vor Christi). Hinweise auf die Gruppe wurden vor allem an der Mittelweser gefunden. Der Küstenstreifen zwischen Unterer Ems und Unterweser galt als nahezu fundleer – bis jetzt. Der Weser-EmsRaum war allerdings auch in der Steinzeit schon besiedelt.
Nur Gräberfeld?
Ob die Menschen damals hier an der Hunte wirklich gelebt haben oder ob es sich vielleicht nur um ein Gräberfeld handelt, darauf weist ein Urnenfund hin, ist laut Melisch nicht klar. Klar ist, dass sie sich hier aufhielten. Das Grundstück zeichnet aus, dass der Boden trocken, das Grundwasser erst in einer Tiefe von zwei Metern zu finden ist. Ideale Bedingungen also, in einer damals ansonsten feuchten und sumpfigen Umgebung zu siedeln. Beim Bau der Siedlung „Bloherfelder Anger“ waren Archäologen auf rund 8000 Jahre alte Spuren von Menschen aus der Steinzeit gestoßen.
Zurück in die Innenstadt zur ersten prähistorischen Fundstelle dort: Deutlich sind an den Scherben des Harpstedter Rautopfs Spuren von Fingern zu erkennen. Die Ursache: Die Töpfer dekorierten den Rand der Behältnisse mit Fingerabdrücken, bevor sie den Ton brannten. Die Archäologin ist erstaunt, dass der Podsolboden so gut erhalten ist. Die späteren Bautätigkeiten haben ihm nichts anhaben können. Aufgetaucht sind auch die Fundamente und Mauerreste eines Hauses, das im 17./18. Jahrhundert errichtet worden ist.
Claudia Maria Melisch und ihr Mitarbeiter bargen so viel wie möglich, notierten alles, fotografierten, kartierten und dokumentierten. Unterdessen liefen die Erdarbeiten als Vorbereitung für den Neubau weiter. Die Fundstücke wurden von den beiden mitgenommen und werden nun weiter untersucht.