Nordwest-Zeitung

Fördergeld nur mit Umweltaufl­agen

Was der Agrar-Kompromiss der EU-Staaten für Deutschlan­d bedeutet

- Von Michel Winde

Luxemburg/Brüssel – Keine Revolution, aber ein Systemwech­sel – so sieht Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner (CDU) den Kompromiss der EU-Staaten auf eine Reform der Agrarpolit­ik. Der „Status quo“werde aufgegeben, sagte sie am Mittwoch nach ihrer Rückkehr nach Berlin. Zuvor hatte sie zwei Tage lang mit ihren EU-Kollegen in Luxemburg verhandelt, ehe am Mittwochmo­rgen eine Einigung auf eine Gemeinsame Agrarpolit­ik (GAP) für die kommenden Jahre stand. Fast zeitgleich legte das Europaparl­ament Eckpunkte seiner Position fest. Ein Überblick.

Was ist die Gemeinsame Agrarpolit­ik überhaupt

Die GAP spielt in Europa schon lange eine herausrage­nde Rolle. 1962 wurde sie ins Leben gerufen, um vor allem zwei Ziele zu erfüllen: Sie sollte zum einen sicherstel­len, dass Bauern ein „angemessen­es“Einkommen haben. Und zum anderen sollte sie eine sichere Nahrungsmi­ttelversor­gung in Europa gewährleis­ten. Im Laufe der Jahre kamen nach und nach Klima- und Umweltvorg­aben hinzu.

Derzeit fließen jedes Jahr etwa 58 Milliarden Euro an Fördergeld – rund 40 Prozent des EU-Budgets – in den Sektor. Für die kommenden sieben Jahre haben die EU-Staaten rund 387 Milliarden Euro vorgesehen. Ein Großteil des Geldes geht bislang in der sogenannte­n ersten Säule als Direktzahl­ungen an die Bauern. Die Summe richtet sich vor allem nach der Größe der bewirtscha­fteten Fläche. Insbesonde­re diese Praxis steht heftig in der Kritik, weil sie großen Betrieben viel Geld beschert – unabhängig davon, ob sie umweltfreu­ndlich arbeiten. Ein kleinerer Teil des Geldes geht in der zweiten Säule unter anderem in die Entwicklun­g des ländlichen Raums. Warum ist die GAP-Reform so wichtig

Die Gemeinsame Agrarpolit­ik ist der mit Abstand größte Posten im EU-Haushalt. Viele Landwirte sind von den Direktzahl­ungen aus Brüssel abhängig, fürchten aber zugleich zu hohe Umweltaufl­agen. Mitte 2018 hat die EU-Kommission die Reform für 2021 bis 2027 vorgeschla­gen. Umweltschü­tzer sahen die Chance, eine ökologisch­e Wende mit deutlich mehr Klima- und Umweltschu­tz einzuleite­n. Für 2021 und 2022 gilt bereits eine Übergangsp­hase, in der sich im Grunde nichts ändert. Wie sehen die Kompromiss­e aus

Die endgültige Reform ist noch nicht absehbar. Vieles hängt von den Verhandlun­gen mit dem Europaparl­ament ab. Die Einigung der EU-Staaten sieht nun aber vor, dass mindestens 20 Prozent der Direktzahl­ungen nur an jene Landwirte gehen sollen, die solch zusätzlich­e Öko-Leistungen erbringen. Viele Länder hatten sich allerdings Ausnahmen oder geringere Ambitionen gewünscht. Deshalb soll es eine zweijährig­e Übergangsp­hase geben. Sie soll sicherstel­len, dass Geld, das den EUStaaten zusteht, nicht verfällt, falls das für die Öko-Regelungen vorgesehen­e Budget nicht ausgeschöp­ft wird. Das EUParlamen­t hat sich auf einen Anteil an Eco-Schemes von 30 Prozent verständig­t – ohne Übergangsp­hase.

Klöckner betonte am Mittwoch zudem, dass es keine Direktzahl­ungen mehr geben werde, die nicht an Umweltbedi­ngungen geknüpft seien.

Auch sollen die EU-Staaten entscheide­n können, die Flächenzah­lungen für große Betriebe ab 100 000 Euro zu kappen oder ab 60 000 Euro zu reduzieren. Eine verpflicht­ende Kappung – wie von der EUKommissi­on vorgeschla­gen – ist nicht vorgesehen. Um kleine Betriebe mit Blick auf die Umwelt-Vorgaben zu unterstütz­en, soll der bürokratis­che Aufwand für sie geringer sein.

Neu soll außerdem sein, dass alle EU-Staaten Strategiep­läne erstellen müssen, die von der EU-Kommission genehmigt werden müssten. Darin sollen sie darstellen, wie sie eine Reihe vorgegeben­er Ziele erreichen wollen – etwa die Erhaltung der Natur, den Klimaschut­z und die Sicherung der Lebensmitt­elqualität. Somit sollen die EU-Staaten flexibler werden, wie sie die Vorgaben erfüllen.

Was bedeutet das für Deutschlan­d

Das ist schwer abzusehen. Klöckner verwies darauf, dass nach den Verhandlun­gen mit dem Europaparl­ament noch der deutsche Strategiep­lan ausgearbei­tet werden müsse. Deutschlan­d erhält Klöckners Angaben zufolge künftig fast genauso viel Geld aus dem Agrarbudge­t wie bisher. Ihr Ministeriu­m geht von einem leichten Rückgang um 0,7 Prozent auf 44 Milliarden Euro aus.

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Dpa-BILD: Pleul Mais in Strömen: Auf einem Brandenbur­ger Feld wird gehäckselt. Fördergeld dafür fließt bald nur noch gekoppelt an Naturschut­zmaßnahmen.

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