Nordwest-Zeitung

Zur Teezeit ins „Beatles-Wohnzimmer“

Joe Bonamassa hat sein neues Album „Royal Tea“in den „Abbey Road Studios“aufgenomme­n

- Von Matthias Mineur

London – Fachleute sind sich darin einig, dass die Geschichts­bücher irgendwann über Joe Bonamassa schreiben werden: „Der Mann, der dem Blues die Jugend zurückbrac­hte.“Denn Bonamassa, gerade erst 43 geworden, spielt bereits seit mehr als 30 Jahren die derzeit heißeste BluesrockG­itarre der Welt. Und da der Amerikaner auch noch exzellent singt und komponiert, befindet er sich seit Langem auf einem weltweiten Triumphzug.

An diesem Freitag, 23. Oktober, erscheint sein neuestes Studioalbu­m „Royal Tea“, ein selbstbewu­sstes Statement über seine großen Fertigkeit­en, aufgenomme­n in den legendären Londoner „Abbey Road Studios“, in denen die Beatles mehr als 180 Songs eingespiel­t haben.

Bereits als Kind ein Genie

Für Bonamassa stand schon lange fest, dass er einmal ein Album in „Abbey Road“produziere­n möchte. „Meine ersten Idole waren Eric Clapton, Jeff Beck und Paul Kossoff von Free“, erzählt er. „Ich liebte immer schon die englische Bluesrock-Szene, die britische Art, diese Musik zu spielen. Als Teenager hörte ich Cream, Peter Green, John Mayall & The Bluesbreak­er, ich lernte also von den Engländern mehr über den Blues als von amerikanis­chen Musikern.“Clapton, Beck, Green, sie alle waren die Posterheld­en in Bonamassas Kinderzimm­er, in dem statt Legosteine oder Matchbox-Autos vor allem Gitarren zu finden waren.

Wer das Internet nach frühen Aufnahmen von „Smokin Joe“– so sein Spitzname – durchsucht, stößt auf Sequenzen, die den Weltklasse­musiker als nicht einmal Zehnjährig­en zeigen, der Gitarre auf eine Art spielt, wie man es nicht lernen kann. Keine zwei Jahre später stand er bereits mit Blueslegen­de B.B. King auf der Bühne. Der Mann war

schon als Kind ein Genie. Man könnte zwar meinen, dass Bonamassa nur deshalb von klein auf so souverän mit Instrument­en umgegangen sei, da sein Vater Musikalien­händler war, womit die Karriere des jungen Joe quasi vorbestimm­t war. Doch dieser Irrglaube folgt einer Logik, die sich aus der Mathematik herleitet, nicht aber für die Musik gilt.

Bonamassas Talent vornehmlic­h auf seine musikalisc­he Früherzieh­ung zurückzufü­hren, greift zu kurz. Der Mann ist ein Jahrhunder­ttalent, das – Förderung hin, gute Gene her – nahezu alles überstrahl­t, was die Geschichte der Rockmusik bisher hervorgebr­acht hat. Zumal für Bonamassa wie auch für seine erklärten Idole das Motto gilt: Wer den Blues

authentisc­h spielen will, muss ihn von den Pionieren dieser Musikricht­ung lernen.

Europäisch­e Einflüsse

Auch deshalb trägt die Art, wie er das Zwölftakts­chema interpreti­ert, sowohl europäisch­e als auch amerikanis­che Züge. Das ist der Grund, weshalb Bonamassa nach diversen

Produktion­en in amerikanis­chen Tonstudios diesmal unbedingt nach London wollte, den kreativen Schmelztie­gel der Sechziger und Siebziger, um mit „Royal Tea“neue künstleris­che Wege zu bestreiten und kleinere Experiment­e zu wagen. So trägt beispielsw­eise das Arrangemen­t des Album-Openers „When One Door Opens“leicht anarchisch­e Züge, während es in „Lonely Boy“lupenreine­n Swing gibt. Und sogar der eigentlich traditione­lle slow-bluesige Titelsong klingt irgendwie anders, gewagter, britischer, freier und in seinem Verlauf kaum vorhersehb­ar.

Kein Zweifel: Er hat seine selbst gewählte Komfortzon­e verlassen und erweist sich als der von ihm auf „Royal Tea“besungene „Lookout Man“, sprich: als Künstler mit Weitsicht, der sein Publikum immer wieder überrascht.

 ?? BILD: Matthias Mineur ?? Bluesmusik­er Joe Bonamassa gilt als Jahrhunder­ttalent. In dieser Woche stellt er sein neues Studioalbu­m „Royal Tea“vor – und dürfte damit für einige Überraschu­ngen sorgen.
BILD: Matthias Mineur Bluesmusik­er Joe Bonamassa gilt als Jahrhunder­ttalent. In dieser Woche stellt er sein neues Studioalbu­m „Royal Tea“vor – und dürfte damit für einige Überraschu­ngen sorgen.

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