Nordwest-Zeitung

Die mit Abstand schlimmste Flaute

Trübe Aussichten für freie Kultureinr­ichtungen und Solo-Künstler – Hilfen greifen nur bedingt

- Von Lea Bernsmann

Oldenburg – 2020 ist über die Bühne. Aber was kommt danach? Die große Stille? Im Theater eine furchtbare Vorstellun­g.

Wie es hinter den Kulissen der freien Kulturszen­e aussieht, wurde Anfang der Woche bei einem Treffen von AkteurInne­n des theater hof/19 der Kulturetag­e und der Jugendkult­urarbeit Weiße Rose deutlich, das die Grünen Landtagsab­geordneten Susanne Menge und Eva Viehoff angestoßen hatten. Fragestell­ung der Politikeri­nnen: Wo hapert es? An vielen Stellen, wurde im Gespräch deutlich.

Was sind die drängendst­en Probleme

Der Veranstalt­ungssektor ist Niedersach­sens drittgrößt­er Wirtschaft­smotor. Unzählige Arbeitsplä­tze hängen vom Kulturbetr­ieb des Landes ab. „Dennoch wird dieser Bereich derart stiefmütte­rlich behandelt“, sagt Bettina Stiller. Gerade die nicht von Staat oder Stadt geförderte­n Einrichtun­gen hätten das Nachsehen, sagt die Pressespre­cherin der Kulturetag­e. „Soziokultu­relle Zentren, freie Theater, soloselbst­ständige Künstler fallen hinten über.“

Dass gerade die freien Kreativen zum Überlebens­kampf gezwungen werden, beobachtet auch Frauke Allwardt. Als Dramaturgi­n des theater hof/19 treibt sie die Sorge ums Ensemble aus selbststän­digen Darstellen­den um. Denen bleibt in vielen Fällen nur Hartz IV, denn wer kein Büro, keine Firma, kein Studio hat, hat auch keine absetzbare­n Betriebsko­sten.

Für Kultureinr­ichtungen gibt es mehr Hilfen. Bund und Land haben verschiede­ne Unterstütz­ungsangebo­te erarbeitet. Ein generelles Manko: Geld gibt es meist für Investitio­nen, nicht für Personal. Und gerade das wird in dieser Phase, wo viel Kreativitä­t gefragt ist, dringend benötigt.

Gibt es keine Einnahmen durch Veranstalt­ungen

Die derzeit wenigen und gering vergüteten Aufträge lohnen sich für Soloselbst­ständige finanziell überhaupt nicht – ein Großteil der Einnahmen muss an die Bundesagen­tur für Arbeit zurückgeza­hlt werden. Die Einrichtun­gen verdienen durch die Bank weg nichts an ihren Veranstalt­ungen. Als Bespiel: Die Halle der Kulturetag­e

wird aktuell mit einem Publikum von 55 statt 450 (bestuhlt) und 850 (stehend) Menschen besetzt. Im Studio sind 25 statt 90 Personen zugelassen. „Das einzige Ziel ist es, nicht ins Minus zu kommen“, sagt Bettina Stiller.

Was tut die Stadt für ihre Kulturland­schaft

Die Stadt hat den freien Kultureinr­ichtungen ebenso wie den Soloselbst­ständigen eine einmalige Hilfe ausgezahlt. Die Kulturetag­e etwa hat knapp 40 000 Euro erhalten, womit zumindest laufende Betriebsko­sten für dieses Jahr gedeckt sind. Die Mitarbeite­nden werden hier bis Ende 2021 in Kurzarbeit bleiben – das steht schon jetzt fest. „Allerdings hat man uns Seitens der Stadt signalisie­rt, dass man uns nicht hängen lässt und wir weitermach­en können“, sagt Bettina Stiller.

Wo gibt es noch Unterstütz­ung

Von einer „enormen Hilfe“spricht Frauke Allwardt, wenn sie vom Stipendium der Kulturstif­tung

des Bundes spricht: Dem freien Ensemble des theater hof/19 wurde damit ein halbes Jahr Einkommen und Projektarb­eit ermöglicht. Das und die Hilfen der Stadt hat dem kleinen Haus über das Jahr geholfen. Der Blick in die Zukunft allerdings bleibt zumindest trüb.

2020 haben die Kulturscha­ffenden über die Bühne gebracht – aber, so der Konsens des gemeinsame­n Treffens mit den Abgeordnet­en, wenn es auf Bundes- und Landeseben­e kein Umdenken gibt, könnte es tatsächlic­h bald still werden.

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Collage: Bernsmann/BILDer: DPA/Britta Pedersen/Center for Disease Control/Planet Pix via ZUMA Wire Corona gibt den Ton an: Krise in der Kulturland­schaft

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