Ein Reh kommt im Herbst selten allein
Warum jetzt die Gefahr von Wildunfällen steigt und wie sie vermieden werden können
Oldenrug/Region – „Zurzeit ist viel Unruhe auf den Feldern“, sagt Jan-Bernd Meyerholz, Leiter des Hegerings Ganderkesee. Durch die Ernte auf den Maisflächen verlören viele Wildtiere ihre Heimat. „Die müssen sich was Neues suchen“, sagt er. Bedeutet: Mehr Wildwechsel auf den Straßen, höheres Risiko für Wildunfälle. Dabei sei vor allem Rehwild in der Gemeinde Ganderkesee unterwegs. „Wildschweine auch, aber eher weniger“, so Meyerholz.
Eine erhöhte Gefährdung sieht der Jäger aber auch durch Blühwiesen, die an Straßenrändern gepflanzt werden. Wild halte sich dort gern auf, und wenn es erschreckt werde, laufe es auf die Straßen. „Es wäre besser, die Blühwiesen dort zu haben, wo man sie nicht sieht“, ist Meyerholz überzeugt, aber dann heiße es, es werde nichts für die Umwelt getan.
Eine Rolle für erhöhte Wildunfallgefahr könnte auch die Zeitumstellung Ende des Monats spielen – weil das Wild sich nicht so schnell umgewöhnt, sondern zu den gleichen Zeiten unterwegs ist, so Meyerholz. Diese könnten sich im Frühjahr morgens und im Herbst abends gehäuft mit Berufspendlern überschneiden.
Ohne gewünschten Erfolg
Laut der Verkehrswacht Niedersachsen entwickelt allein ein 25 Kilogramm schweres Reh beim Aufprall auf ein Auto mit Tempo 100 eine Masse von einer halben Tonne – Wildunfälle zu vermeiden, liegt also im Interesse aller. Dafür ist im Landkreis Oldenburg zwar einiges getan worerfüllen“,
den, einen großen Effekt hatten die Maßnahmen allerdings nicht.
Die orangefarbenen Dreibeine, die an Unfallschwerpunkten mit der Aufschrift
„Wildunfall“aufgestellt wurden, sind nicht mehr im Einsatz. Die blauen Reflektoren zur Abschreckung hängen zwar noch, aber die Tiere gewöhnen sich mittlerweile daran,
sagt Meyerholz. Präventionsversuche mit Duftstoffen seien ihm vor Ort nicht bekannt.
„Wir können den Jägern nur anraten, den Abschussplan zu sagt Meyerholz, „damit wir die Tiere im Griff haben.“Außerdem sei es an den Autofahrern, vorsichtig zu sein: Denn wo ein Tier ist, folgen häufig mehrere.
Und wenn es doch zu einem Unfall kommt? An den Jagdpächter wenden, sagt Meyerholz. Wisse man nicht, wer zuständig ist, könne man sich an die nächsten Anlieger wenden, empfiehlt er. Die Polizei muss nur informiert werden, wenn auch ein Personenschaden vorliegt. Der berechtigte Jäger komme zum Unfallort und fülle auch die Unfallerklärung für die Versicherung aus. Dies sei bei einer Teilkasko-Versicherung wichtig.
Jagdpächter zuständig
Dennoch werde häufig die Polizei bei Wildunfällen alarmiert, sagt eine Sprecherin der Polizeiinspektion Delmenhorst/Oldenburg-Land/Wesermarsch. „Die wenigsten wissen, wer zuständig ist“, sagt sie, „wir informieren dann den zuständigen Jagdpächter.“Außerdem sei wichtig, die Unfallstelle abzusichern und sich selbst außer Gefahr zu bringen. Auch das Fahrzeug sollte möglichst nicht auf der Fahrbahn stehen bleiben, sondern zum Beispiel auf der Berme abgestellt werden.
■ Die Polizei verzeichnet immer mehr Unfälle mit Wild im Landkreis. 947-mal hat es 2019 gekracht, 888-mal im Jahr davor. Tiefstand der letzten zehn Jahre war 2015 mit 713 Wildunfällen. In Ganderkesee ist der Trend ähnlich. 114 Wildunfälle in 2019 sind Spitzenreiter, 2018 waren es 112 und 110 in 2017. Die wenigsten Wildunfälle der letzten zehn Jahre gab es 2011: Da krachte es im Gemeindegebiet 87-mal.