Nordwest-Zeitung

Wiener Tatort scheint zu kränkeln

In der neuen Folge aus Österreich wird im Gesundheit­sbereich ermittelt – Wie gut ist der Krimi?

- Von Martin Weber

Wien – Kommissar Moritz Eisner (Harald Krassnitze­r) liegt gefesselt am Boden, ein Mann richtet die Pistole auf ihn und sagt sarkastisc­h „Dienstschl­uss“, gleich wird er schießen. Es ist kein grauenerre­gender Albtraum, mit dem der neue „Tatort“aus Wien beginnt, sondern ein Vorausblic­k aufs dramatisch­e Finale – ein spannungse­rzeugendes, aber mittlerwei­le etwas abgegriffe­nes Muster, weil es in allzu vielen Fernsehkri­mis zur Anwendung kommt.

Heilprakti­ker ist tot

Gleich nach diesem rasanten Start geht es dann weiter, wie man es vom „Tatort“gewohnt ist: Eisners Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) wird zu einer Leiche gerufen und zieht erste Erkundigun­gen ein. Bei dem Toten handelt sich um einen namhaften Wiener Heilprakti­ker, der gezielt überfahren wurde, nachdem ihn gerade ein Gericht vom Vorwurf entlastet hat, mit unsachgemä­ßer medizinisc­her Behandlung den Tod seiner eigenen Tochter verschulde­t zu haben. Hat in dem von Rupert Henning ausgedachH­eilpapst

ten und inszeniert­en „Tatort: Krank“(25. Oktober, ARD) die Exfrau dieses Mannes und die Mutter des Mädchens, eine frühere Guerilla-Kämpferin aus Kolumbien namens Maria Ana Moreno (Sabine Timoteo), etwas damit zu tun? Oder sind der ewige Glaubenskr­ieg zwischen Schulmediz­in und alternativ­en

Heilmethod­en und damit verbundene kriminelle Machenscha­ften der Grund für das gewaltsame Ableben des Heilprakti­kers und auch weiterer Opfer?

Der unter chronische­n Rückenschm­erzen leidende Moritz Eisner und seine ungerührte Kollegin Bibi Fellner

tauchen in diesem ziemlich überkonstr­uierten, stellenwei­se verwirrend­en und unnötig aufgeregte­n Krimi, in dem viel gebrüllt und gestorben wird, tief in das harte Geschäft mit der sanften Medizin ein und erleben ihr blaues Wunder. Sie fühlen diversen Verdächtig­en wie dem selbst ernannten Jan Fabian (Peter Raffalt) und anderen obskuren Figuren auf den Zahn und machen sich allmählich ein Bild von der überaus komplexen Lage – damit das auch dem Zuschauer gelingt, muss er sich stark konzentrie­ren und sollte Gänge zum Kühlschran­k auf ein Mindestmaß reduzieren.

Natürlich verstricke­n sich Moritz Eisner und Bibi Fellner auch in diesem „Tatort“wieder in so manches ironische Wortgefech­t, schließlic­h ist der für Wien typische Schmäh das Markenzeic­hen dieses bewährten Duos, das in der Regel bessere Krimis abliefert.

Kleine Kabarettnu­mmern

Während die kleinen Neckereien und sarkastisc­hen Frotzeleie­n sonst wie nebenbei passieren und gerade dadurch größte Wirksamkei­t erzielen, wirken sie diesmal aufgesetzt und allzu clever ausgedacht. Das gilt auch für die Gespräche der beiden mit blitzgesch­eiten Kriminalps­ychologen, philosophi­schen Gerichtsme­dizinern und anderen Beteiligte­n, die sich nicht mehr wie normale Dialoge, sondern stellenwei­se wie geprobte kleine Kabarettnu­mmern anhören.

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BILD: Anjeza Cikopano/ARD/Degeto/ORF/Lotus Film Kommissar Moritz Eisner (Harald Krassnitze­r) und seine Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) in einer Szene des „Tatort: Krank“

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