Nordwest-Zeitung

Von der Leyens Befreiungs­schlag im Impfstreit

Zu spät, zu optimistis­ch, zu blauäugig – EU-Kommission will jetzt in die Produktion investiere­n

- Von Detlef Drewes, Büro Brüssel

Brüssel – Ursula von der Leyen steht massiv unter Druck. Als die Präsidenti­n der EUKommissi­on am Mittwoch vor das EU-Parlament in Brüssel trat, wusste sie, dass linke Abgeordnet­e später ihren Rücktritt fordern würden. Und dass die große Mehrheit von Christ- und Sozialdemo­kraten, Grünen und Liberalen ihr nur dann Rückendeck­ung geben würden, wenn sie zu den Fehlern bei der Impfstoffb­estellung stehen und diese korrigiere­n würde. „Wir waren zu spät dran bei der Zulassung. Wir waren zu optimistis­ch bei der Massenprod­uktion. Und vielleicht waren wir uns zu sicher, dass das Bestellte tatsächlic­h pünktlich geliefert wird“, sagte sie. Das musste als Blick zurück reichen, jetzt geht es um die Zukunft.

Neuer Verantwort­licher

Der Mann, auf den sie nun setzt, heißt Thierry Breton. Der 66-jährige Franzose weiß, wie man mit Chefs von Unter

nehmen sprechen muss. Bevor er in Brüssel das zentrale Binnenmark­t-Ressort der EUKommissi­on übernahm, war er der Mann an der Spitze von France Telecom. Nun soll er zusätzlich die Impfstoff-Strategie koordinier­en und sich mit Partnern wie Pfizer, Biontech, Astrazenec­a oder Johnson & Johnson sowie etlichen weiteren auseinande­rsetzen.

„Wir haben eine Task Force gegründet, die die Probleme bei der Herstellun­g von Impfstoffe­n identifizi­eren und beseitigen soll“, kündigte von der Leyen an. Die Kommission­spräsident­in, die selbst Ärztin ist, weiß, wie viele Stolperste­ine auf dem Weg dahin zu überwinden sind. Es seien die Lieferkett­en, bei denen es hakt. Die Europäisch­e Volksparte­i (EVP) schlug deshalb vor, 10 Milliarden Euro bereitzust­ellen, um Schwachpun­kte in der Produktion zu beseitigen. Der Vorstoß liegt auf dem Tisch, die EU-Staats- und Regierungs­chefs könnten bei ihrem virtuellen Gipfel Ende des Monats entscheide­n.

Alte Schwierigk­eiten

Aber das ist nur eines von vielen Problemen. Die meisten Schwierigk­eiten bereiten die politische­n Bedingunge­n. Noch im Februar dürfte der US-Konzern Johnson & Johnson die EU-Zulassung für seinen Impfstoff bekommen. Das Produkt wird in Belgien und den Niederland­en von Janssen Pharmaceut­ica produziert. Johnson & Johnson besteht aber darauf, dass die Abfüllung im US-Bundesssta­at Michigan erfolgt. Dürfen die fertigen Ampullen dann wieder in die EU ausgeführt werden? Im schlimmste­n Fall müsste die EU noch monatelang auf die Dosen warten. Es wäre ein weiterer Rückschlag.

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AP-BILD: Seco EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen im EUParlamen­t

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