Nordwest-Zeitung

Bahnhofsmi­ssion sieht beunruhige­nde Entwicklun­g

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Oldenburg/CMH – Als prekär schätzt Doris Vogel-Grunwald, Leiterin der Oldenburge­r Bahnhofsmi­ssion, die Lage ein. „Standen uns sonst 26 Plätze zur Verfügung, sind es jetzt durch die Abstandsre­geln nur noch vier“, sagt sie. Vor der Corona-Krise hätten täglich bis zu 120 Menschen das Angebot der Bahnhofsmi­ssion wahrgenomm­en. Sie kamen für einen Kaffee und ein Brötchen, um die Zeitung zu lesen und sich zu unterhalte­n. Aktuell kämen nur noch 30 Menschen

am Tag. Manchmal sogar sehr viel weniger. „Ich leite die Bahnhofsmi­ssion seit 13 Jahren. Die jetzige Situation ist krass. Das hatten wir noch nie“, sagt Vogel-Grunwald.

Die Pandemie, so sagt sie, mache etwas mit den Menschen. Und wo die vielen Bedürftige­n sind, die sonst regelmäßig in die Bahnhofsmi­ssion kamen, wisse niemand. „Das sind teilweise Menschen, die täglich zu uns kamen und jetzt von der Bildfläche verschwund­en sind“, so VogelGrunw­ald.

Sie habe den Eindruck, dass sich viele Menschen im Lockdown noch weiter zurückzieh­en würden. Eine problemati­sche Entwicklun­g, sagt die Leiterin der Bahnhofsmi­ssion.

„Ich habe dem Kaffee und den Brötchen wohl einen zu hohen Stellenwer­t gegeben. Die Menschen scheinen eher die Gesellscha­ft zu wollen. Und mit vier statt 26 Plätzen ist das auch nicht gegeben“, sagt Vogel-Grunwald. Sie befürchtet, dass es viele Menschen

gibt, die auch nach der Pandemie nicht mehr aus ihrer „Höhle“herauskomm­en werden. „Einige saufen sich hoch, die anderen nehmen Tabletten oder werden depressiv. Das volle Ausmaß der Folgen werden wir erst später erkennen können“, so VogelGrunw­ald. Die Bahnhofsmi­ssisonslei­terin befürchtet, dass vor allem die sozialen Einrichtun­gen in Oldenburg in Zukunft eine Klientel zu sehen bekommen werden, „mit der wir niemals gerechnet hatten.“

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