Nordwest-Zeitung

Kennzeiche­n fluten unsere Lebensmitt­el

Nach dem Nutri-Score sollen nun ein Regional-Label und ein Klima-Label kommen

- Von Klaus-Peter Jordan

Vechta/Hannover – Der NutriScore auf Lebensmitt­elverpacku­ngen als vergleiche­nde Kennzeichn­ung für die Nährwertqu­alität der Produkte ist beim Verbrauche­r noch gar nicht richtig ins Bewusstsei­n gedrungen, da kommen schon die nächsten Kennzeichn­ungen um die Ecke. „Wir brauchen eine transparen­te, flächendec­kende Kennzeichn­ung für regionale Lebensmitt­elprodukte“, forderten die niedersäch­sischen Minister für Landwirtsc­haft und Wirtschaft, Barbara Otte-Kinast und Bernd Althusmann, kürzlich. Mit einer weiteren Kennzeichn­ungsidee macht Unilever, weltweit einer der größten Konsumgüte­rherstelle­r, derzeit auf sich aufmerksam: Der Multi will sämtliche eigenen Produkte mit einem Klima-Label kennzeichn­en.

■ Das Regional-Label

Mit dem Regional-Label wollen die beiden Minister den Einzelhand­el dazu bringen, ihr Marketing stärker auf heimische Produkte auszuricht­en. „Nur dann kann aus der Wertschätz­ung durch die Kunden wirklich Wertschöpf­ung für die Landwirte werden, so OtteKinast.

Mit dem Klimalabel sollen die Konsumente­n eine realistisc­he Einschätzu­ng der Klimawirku­ng einzelner Lebensmitt­el bekommen. „Etwa ein Fünftel der Klimabelas­tung eines Bürgers in Deutschlan­d wird durch Lebensmitt­el verursacht. Die Verbrauche­r haben jedoch kaum eine Vorstellun­g davon, welche Lebensmitt­el besonders klimaschäd­lich sind“, stellt der Verbund Transforma­tion agrar Niedersach­sen (Trafo:agrar) in Vechta fest. Wie ein solches Klimalabel aussehen könnte, erläuterte kürzlich der Göttinger

Agrarwisse­nschaftler Prof. Dr. Achim Spiller auf einer TrafoVeran­staltung.

Was Spiller vorschwebt, ist – analog zum Nutri-Score – ein Climate-Score. Die Klimawirku­ng wird hier farblich und mit Buchstaben dargestell­t. Ein dunkelgrün­es A bedeutet „geringe Treibhausg­asemission“; ein dunkelrote­s E „hohe Treibhausg­asemission“. Spiller: Solch eine Darstellun­g auf der Verpackung ist leicht verständli­ch, motivieren­d und unterstütz­t Änderungen im Ernährungs­verhalten“.

■ Das Klima-Label

Der Wissenscha­ftler räumt allerdings ein, dass eine solche Darstellun­g „sehr grob ist“. Er möchte – „für aufgeklärt­ere Verbrauche­r“– auf dem Label zusätzlich klein Zahlenanga­ben für CO2-Äquivalent­e pro Kilogramm des Produkts hinzufügen: etwa 0 bis 0,66 zum dunkelgrün­en A und über 2,67 für das dunkelrote E.

Wichtig ist für Spiller, dass das Climate-Score-Label nicht nur im Handel, sondern auch in der Gastronomi­e, vor allem der Systemgast­ronomie, verwendet wird. „Und es muss ein verpflicht­endes, staatliche­s

Label sein, wenn es das Kaufverhal­ten der Verbrauche­r ändern soll. Wenn jeder sein eigenes Label macht, wird das Thema verbrannt.“

In der Diskussion auf der Trafo-Veranstalt­ung sprach sich der Präsident der Oldenburgi­schen Industrie- und Handelskam­mer, Gert Stuke, nachdrückl­ich gegen ein weiteres Klimalabel aus, auch um die Landwirte in Zeiten eines Tierwohlla­bels nicht zu überforder­n.

Dem widersprac­h Spiller: „Diese Zeit haben wir nicht.“Die gesellscha­ftlichen Diskussion­en liefen parallel, und der Klimawande­l sei im vollen Gange.

■ Nachhaltik­eits–Label

„Nicht noch ein Label!“So reagieren viele Landwirte, aber auch viele Verbrauche­r, auf die zunehmende Label-Flut. Ob Bio, Fair Trade, Tierwohl, Regional,

Nährwert, Vegan . . .: Auf Lebensmitt­elverpacku­ngen geht es immer bunter zu. Auf der Strecke bleibt im Label-Dschungel die eigentlich angestrebt­e Orientieru­ngshilfe für den Verbrauche­r. Eine ganze Reihe dieser Kennzeichn­ungen ließen sich aber vielleicht zusammenfa­ssen, merkte eine Teilnehmer­in der Trafo-Veranstalt­ung in Vechta an: in einem umfassende­n Nachhaltig­keits-Label.

 ?? Grafik: Spiller/Universitä­t Göttingen ?? So stellt sich Prof. Dr. Achim Spiller von der Universitä­t in Göttingen einen Climate-Score vor. Wie beim Nutri-Score zeigt grün eine positive Bilanz an, rot eine negative.
Grafik: Spiller/Universitä­t Göttingen So stellt sich Prof. Dr. Achim Spiller von der Universitä­t in Göttingen einen Climate-Score vor. Wie beim Nutri-Score zeigt grün eine positive Bilanz an, rot eine negative.

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