„Inzidenzzahl kein stabiler Indikator“
Wissenschaftler mahnen
Hannover – In einer von den Oppositionsparteien FDP und Grüne im Landtag durchgeführten Anhörung zum Corona-Stufenplan haben sich Infektionsforscher für ein möglichst differenziertes Vorgehen ausgesprochen. Die Konzentration auf Inzidenzwerte, also die Zahl der Infizierten pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen, sei „kein stabilier Indikator“, um die Schwere der Pandemie abzubilden, sagte Dr. Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Der Epidemiologe gehört auch zum Expertengremium von Landeswirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU).
Krause empfahl die Einführung eines Punktesystems, bei dem auch die Zahl der Patienten in Kliniken oder die Dynamik der Corona-Ausbrüche berücksichtigt werden sollen. Zudem empfahl der Forscher eine bessere Vernetzung der
Gesundheitsämter. Die Kreisgrenze sei oft eine Barriere. Das Infektionsschutzgesetz des Bundes verbiete die Weitergabe bestimmter Daten.
Vor zu vielen Lockerungen parallel warnte Dr. Viola Priesemann, Leiterin einer MaxPlanck-Forschungsgruppe in Göttingen. Man müsse genau verfolgen können, welchen Effekt eine bestimmte Öffnung habe. Notwendig seien zudem mehr Daten, um die Risiken für Berufsgruppen wie Lehrer oder Beschäftigte im Einzelhandel abwägen zu können. Bei positiven Schnelltests müsse es eine Meldepflicht sowie einen verbindlichen PCRTest geben, der als deutlich aussagekräftiger gilt. Um Einschränkungen auszusprechen, solle die Zahl von 50 Infizierten pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen „die absolute Obergrenze“sein, so die Physikerin Priesemann. Im Fall von „Superspreading-Vorfällen, etwa in Pflegeheimen, sollten die Ämter zwei Wochen Zeit erhalten, um die Lage in den Griff zu bekommen.