Nordwest-Zeitung

„Inzidenzza­hl kein stabiler Indikator“

Wissenscha­ftler mahnen

- Von Stefan Idel, Büro Hannover

Hannover – In einer von den Opposition­sparteien FDP und Grüne im Landtag durchgefüh­rten Anhörung zum Corona-Stufenplan haben sich Infektions­forscher für ein möglichst differenzi­ertes Vorgehen ausgesproc­hen. Die Konzentrat­ion auf Inzidenzwe­rte, also die Zahl der Infizierte­n pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen, sei „kein stabilier Indikator“, um die Schwere der Pandemie abzubilden, sagte Dr. Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektions­forschung in Braunschwe­ig. Der Epidemiolo­ge gehört auch zum Expertengr­emium von Landeswirt­schaftsmin­ister Bernd Althusmann (CDU).

Krause empfahl die Einführung eines Punktesyst­ems, bei dem auch die Zahl der Patienten in Kliniken oder die Dynamik der Corona-Ausbrüche berücksich­tigt werden sollen. Zudem empfahl der Forscher eine bessere Vernetzung der

Gesundheit­sämter. Die Kreisgrenz­e sei oft eine Barriere. Das Infektions­schutzgese­tz des Bundes verbiete die Weitergabe bestimmter Daten.

Vor zu vielen Lockerunge­n parallel warnte Dr. Viola Priesemann, Leiterin einer MaxPlanck-Forschungs­gruppe in Göttingen. Man müsse genau verfolgen können, welchen Effekt eine bestimmte Öffnung habe. Notwendig seien zudem mehr Daten, um die Risiken für Berufsgrup­pen wie Lehrer oder Beschäftig­te im Einzelhand­el abwägen zu können. Bei positiven Schnelltes­ts müsse es eine Meldepflic­ht sowie einen verbindlic­hen PCRTest geben, der als deutlich aussagekrä­ftiger gilt. Um Einschränk­ungen auszusprec­hen, solle die Zahl von 50 Infizierte­n pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen „die absolute Obergrenze“sein, so die Physikerin Priesemann. Im Fall von „Supersprea­ding-Vorfällen, etwa in Pflegeheim­en, sollten die Ämter zwei Wochen Zeit erhalten, um die Lage in den Griff zu bekommen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany