Nordwest-Zeitung

In City sollen Lichter wieder angehen

Innenstadt­manager Steffen Trawinski beim Wirtschaft­srat der Landes-CDU

- Von Karsten RÖhr

„Wenn zwei das Gleiche hören, ist es noch lange nicht dasselbe“, schreibt ein Leser an Theobald. Was der Mann meint: Er war mit einer Bekannten ins Gespräch gekommen und hört von ihr, dass ein Brötchen mit Rosinen bei einer Verkostung bei ihr durchgefal­len war. Der Mann stutzte, es war ihm doch in Erinnerung, dass die Dame Rosinenbrö­tchen gerne möge. „Rosinenbrö­tchen mag ich ja auch, aber eben keine Brötchen mit Rosinen“, antwortete sie. Den Einwand, ob das nicht dasselbe sein, konterte sie mit dem Satz: „Ich mag gerne Zimtschnec­ken, aber Schnecken mit Zimt probiere ich lieber nicht.“Trotz dieser schlagfert­igen Argumentat­ion bleibe ihm das Rosinen-Brötchenmi­t-Rosinen-Paradoxon weiterhin ein Rätsel, schreibt der Leser aus Bümmersted­e. „Vielleicht liegt’s ja daran, dass ich überhaupt keine Rosinen mag.“Dies könnte eine Erklärung sein, findet

theobald@NWZmedien.de

Oldenburg – Einen Mini-Vorgeschma­ck, wie schön es mal wieder werden könnte in der Innenstadt gab es am Dienstag, als man bei Sonnensche­in zum ersten Mal wieder ohne Maske durch die Straßen spazieren konnte: einige Bummler und Click & Collect-Abholer, dazu die Einkäufer auf dem Rathausmar­kt, alle leicht aufgeheite­rt. Aber bei genauerer Betrachtun­g ist es nach wie vor nicht zu verkennen: Einzelhand­el, Gastronomi­e und Hotellerie sitzen unveränder­t in der Patsche, dazu auf einem Berg von Kosten, ohne dass etwas hereinkomm­t.

Druck ist hoch

Passend dazu stellte sich Innenstadt­manager Steffen Trawinski am Dienstagab­end einem Online-Forum, zu dem der Wirtschaft­srat der LandesCDU eingeladen hatte. Das Thema: „Einzelhand­el in der Krise – Sterben unsere Innenstädt­e aus?“

Wirtschaft­srats-Chef Dirk Abeling sagte: „Kaum eine andere Branche ist so stark von den Einschränk­ungen betroffen wie der Einzelhand­el.“Zwar habe der Online- und Versandhan­del seinen Umsatz im vergangene­n Jahr sogar

Hier soll so bald wie möglich wieder Leben ’rein: die Innenstadt am Dienstag mit dem Café Extrablatt, das genauso auf die Wieder-Eröffnung wartet, wie alle anderen.

noch steigern können, weil „die Kaufkraft gerade ins Internet fließt“. Lokale Anbieter verzeichne­ten gleichzeit­ig massive Umsatzeinb­rüche. Für viele gehe es an die Existenz. Abeling: „Klar ist, dass viele Läden schließen und sich Innenstädt­e auf einen hohen Leerstand einstellen müssen. Was aber passiert mit den Innenstädt­en dann?“Zumal die Attraktivi­tät der Stadt auch wichtig bei der Suche nach einem Arbeitspla­tz und einem Wohnort sei – was auch im Blick auf den Fachkräfte­mangel gesehen werden müsse.

Steffen Trawinski, den die Stadt engagiert hat, sieht – ohne die Auswirkung­en von Corona und andere gegenläufi­ge Tendenzen zu relativier­en – weiter die Stärken der Innenstadt: „Eine Umfrage 2018 zum Grund für den Besuch der Oldenburge­r Innenstadt hatte auf Position 1 den Einzelhand­el, auf 2 die Gastronomi­e und auf 3 Freizeit und Kultur. Würde man Corona ausblenden,

wäre das immer noch so.“

Die Leerstands­quote in der Innenstadt lag 2018 noch bei günstigen 7 Prozent, „inzwischen ist sie definitiv zweistelli­g“. Trends wie die Zunahme von Arbeiten und Wohnen in der City oder die digitale Verknüpfun­g von stationäre­m und Online-Angebot des Einzelhand­els würden durch Corona beschleuni­gt. Die Situation der Betriebe sei zum Teil extrem schwierig: „Hilfen kommen nicht an oder zu spät, bestimmte Bereiche fallen durchs Raster“, die Frequenz in den Straßen sei im

vergangene­n Jahr selbst in der Öffnungsph­ase unter den Corona-Einschränk­ungen um 75 Prozent zurückgega­ngen.

Trawinski: „Wir müssen handeln. Und die Stadt unternimmt eine Menge, wir bemühen uns um große Summen für die Digitalisi­erung, es geht auch um die Senkung der Gewerbeste­uer oder um eine Ausweitung der Sondernutz­ungs-Möglichkei­ten.“Auch etwas wie Stellplatz­erleichter­ungen für die Schaffung von Wohnraum in den oft ungenutzte­n Obergescho­ssen gehöre dazu. Aber es bedürfe noch viel größerer Anstrengun­gen, um die Auswirkung­en halbwegs zu kompensier­en und die Innenstadt auch jenseits des Corona-Themas noch lebenswert­er zu machen.

Aufgabe für alle

Dabei gehe es auch um die Frage: „Wie locke ich die Menschen von der Zwangs-Couch wieder in die Stadt?“Hier müssten gute Akzente gesetzt werden und im Blick auf Veranstalt­ungen zentrale, aber vernachläs­sigte Bereiche wie der Waffenplat­z stärker genutzt werden. Gefordert seien jetzt alle: „Einzelhänd­ler, Gastronome­n, Immobilien-Eigentümer, Bewohner, Politik, Verwaltung, die Zivilgesel­lschaft“.

Die Innenstadt­strategie, die kürzlich unterzeich­net wurde, gebe dafür schon eine Menge an die Hand. Dabei bleibe die Schlüsselp­osition beim Einzelhand­el, flankiert durch zahlreiche Entwicklun­gsmöglichk­eiten im Bereich Erlebnis, Urbanität, Erreichbar­keit und Mobilität, Kultur und Wohnen, aber auch Dinge wie Bürokratie-Abbau, weit vorn natürlich die Leerstands-Bekämpfung oder auch die Einrichtun­g von zentralen Auslieferu­ngs-Stationen für den lokalen Handel, um zügig Waren aus der Stadt auf Wunsch zum Kunden bringen zu lassen.

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BILD: Torsten von Reeken
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