Nordwest-Zeitung

Große Familienge­schichte mit Sogwirkung

Anne Prettin legt Roman „Die vier Gezeiten“vor – 49-Jährige wuchs in Oldenburg auf

- Von Susanne Gloger

Oldenburg – Der Stadthafen ist einer ihrer Lieblingso­rte in Oldenburg. Die Insel Juist mag sie nicht nur, weil ihr Mann ein „halber Juister“ist. Dort, bei einem Urlaub auf der ostfriesis­chen Insel, ist ihr auch die erste Idee für ihren Roman gekommen. Und in Neuseeland hat Anne Prettin ihn dann geschriebe­n. „Die vier Gezeiten“heißt das Buch, das an diesem Freitag erscheint.

Am Anfang ist der Tod

„Eine fiktive Geschichte mit fiktiven Charaktere­n, die sich an realen Ereignisse­n orientiere­n“, sagt Anne Prettin im Gespräch mit dieser Redaktion. Der Roman erzählt von vier Schwestern, die so unterschie­dlich sind wie Ebbe und Flut, aber auch von vier Generation­en. Und wie die Gezeiten einen Sog entwickeln, so wird der Leser auch in dieses Buch gezogen, nämlich mit einer medizinisc­h sachlichen Beschreibu­ng eines Todes durch Ertrinken. Und gleich darauf lernt man Kießling kennen, die zu Juist gehören wie die Gezeiten.

Die Roman-Handlung beginnt, als Patriarch Eduard Kießling das Bundesverd­ienstkreuz erhält. In die Generalpro­be mit seiner Frau Adda, den drei Töchtern und Großmutter Johanne im familienei­genen Hotel de Tiden platzt Helen aus Neuseeland. Die Suche nach ihrer leiblichen Mutter hat sie hergeführt. In der Tat sieht die junge Frau aus wie Adda. Gemeinsam gehen sie dem Rätsel ihrer Herkunft nach. Letztlich ist es eine Reise, die 75 Jahre zurückführ­t.

Vom Inhalt sei nicht mehr verraten. Nur so viel: Immer, wenn man meint, eine Ahnung zu haben, wie alles zusammenhä­ngt, ist es doch ganz anders. Nach Ebbe folgt ja auch die Flut und doch ist das Meer stets voller Überraschu­ngen.

Am Strand der Elbe: Anne Prettin, die in Oldenburg aufgewachs­en ist und jetzt in Hamburg lebt,hat den Roman „Die vier Gezeiten“geschriebe­n. .

Die vielen Handlungss­tränge sind – bestens recherchie­rt – in den historisch­en Kontext eingebunde­n. Ganz nebenbei erfährt man auch viel von Juist, vom Umgang mit der Natur und dem Meer. Eine Romanfigur, der Wattführer Onno, hat sogar ein reales Vorbild, wie Anne Prettin verrät: Heino Behring, der 40 Jahre lang der Wattführer von Juist war – bis 2020.

Perfekter Schauplatz

„Die Insel hat sich in den vergangene­n 100 Jahren längst nicht so verändert wie der Rest der Republik, wirkt immer ein bisschen wie aus der Zeit gefallen, fast wie ein in

sich geschlosse­ner Kosmos“, erklärt Anne Prettin, warum sie Juist als den perfekten Schauplatz für einen Generation­enroman gesehen hat. „Ein paar Gedankensp­iele später und die Handlung begann sich in meinem Kopf zu entwickeln wie auch die Charaktere, die immer realer wurden. Am Ende musste mich nur noch meine Agentin Elisabeth Ruge von ,der Idee’ überzeugen und schon schrieb ich los.“Ein Jahr hat’s gedauert.

Warum eine Familienge­schichte? „Vielleicht, weil ich selbst so gerne Familien- und Generation­enromane lese“, sagt Anne Prettin, „die starken Gefühle in einer Familie als kleinste Einheit, die vielen

kleinen und großen Geheimniss­e voreinande­r und miteinande­r, die unterschie­dlichen Temperamen­te, die aufeinande­rprallen. Kurzum: Man ist sich nah und gleichzeit­ig fern, kann sich auf der einen Seite fast alles erlauben, sich auf der anderen Seite aber auch niemals wirklich lösen.“

Der Roman „Die vier Gezeiten“ist großes Kopfkino, bei dem man nebenbei auch noch viel lernt. Er weckt die Sehnsucht nach einer Reise nach Juist. Solange das wegen der Corona-Pandemie nicht möglich ist, helfen eine schöne Tasse Ostfriesen­tee, dazu ein Stück Rosinenstu­ten und die Lektüre dieser Familienge­schichte.

Geboren wurde Anne Prettin vor 49 Jahren in Böblingen (Baden-Württember­g). 1978, da war sie sieben Jahre alt, zog die Familie nach Oldenburg, wo ihr Vater die ehemalige Arztpraxis seines Vaters wiedereröf­fnete. Anne Prettin hat einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester.

Ihr Abitur hat sie im Jahr 1992 an der Cäciliensc­hule abgelegt.

Sie hat Politikwis­senschafte­n und Soziologie in Freiburg, Hamburg und Bordeaux studiert und arbeitete als freie Journalist­in für verschiede­ne Tageszeitu­ngen. Auch ihre Mutter Ursula Prettin war journalist­isch tätig: bis 2004 für die Stadtteilb­erichterst­attung der Nordwest-Zeitung. Anne Prettin ist verheirate­t. Die Patchworkf­amilie mit den drei erwachsene­n Kindern ihres Mannes und zwei Töchtern, die noch zuhause wohnen, lebt zurzeit in Hamburg. Der Roman entstand in Neuseeland, wo ein Arbeitsvis­um es Anne Prettin und ihrem Mann ermöglicht­e, dort zu arbeiten. Die Autorin schreibt auch Reden für Auftraggeb­er aus Politik, Wirtschaft und der Wissenscha­ft.

Der Roman „Die vier Gezeiten“von Anne Prettin erscheint an diesem Freitag, 26. Februar, im Verlag Lübbe (480 Seiten, Preis: 22 Euro, ISBN: 978-37857-2731-7; das Hörbuch (2 MP3-CDs/Gesamtspie­lzeit: 900 Minuten., Preis 20 Euro, ISBN: 978-3-7857-8264-4) wurde von Julia von Tettenborn eingelesen.

■ Zurzeit arbeitet Prettin an einem Buch, das im Herbst ’22 erscheint. „Es geht um den Zusammenbr­uch einer Familie, über den Verlust der Heimat und Neuanfänge, vielleicht ja auch in Oldenburg...“

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BILD: Charlotte Brangs

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