Nordwest-Zeitung

Wie Corona den Arbeitsmar­kt Fußball verändert

Pandemie tut kleineren Clubs deutlich mehr weh – Schere zum Profisport immer größer

- Von Claas Hennig

Hamburg – Corona hat den Arbeitsmar­kt Profi-Fußball erreicht. Zwar gab es arbeitslos­e Spieler schon in den vor-pandemisch­en Boom-Jahren der Branche. Doch durch die Corona-Krise ist die Zahl der Rasenarbei­ter, die von Jobverlust oder Gehaltsver­zicht bedroht werden, enorm gestiegen.

Betroffen sind nicht die großen Stars mit ihren MultiMilli­onen-Gagen. Es sind vor allem ihre Berufskoll­egen aus der 2. Bundesliga, der 3. Liga oder den Regionalli­gen, die ohnehin für viel weniger Geld spielen. „Was man aus meiner Sicht festhalten kann, ist, dass die Schere weiter auseinande­rgeht“, sagt Gregor Reiter, bis Ende 2020 13 Jahre lang Geschäftsf­ührer der Deutschen Fußballspi­eler-Vermittler Vereinigun­g (DFVV). „Corona tut denjenigen, die ohnehin vorher am unteren Ende standen, deutlich mehr weh als denen, die oben stehen.“

Corona als Beschleuni­ger

Dass der Ballspiel-Arbeitsmar­kt im Wandel ist, hat Spielerber­ater Stefan Backs schon vor der Pandemie festgestel­lt: „Corona ist jetzt nur der Beschleuni­ger.“Die Altersgren­ze für Spieler sei deutlich abgesunken, sagt der Dortmunder: „Ab 26 wird es kritisch.“

Junge Spieler sind vor allem eine Kapitalanl­age und eine Wette auf die Zukunft. Vor allem für die Clubs, die „nicht mehr im Geld schwimmen“, erklärt Backs. Wo früher noch ein 30-Jähriger genommen wurde, „nimmst du jetzt den 23-Jährigen, auch wenn er noch nicht ganz so stark ist. Aber den kannst du noch entwickeln und dann verkaufen“, beschreibt der Berater von Bayern-Torwart Alexander Nübel das Finanzieru­ngsmodell. „Die Kader werden kleiner, die Plätze fallen weg, die Spieler, die geholt werden, sind immer jünger“, sagt der 56-Jährige über die Entwicklun­g.

Viel mehr Arbeitslos­e

Die Liste der vertragslo­sen Spieler ist nicht mehr nur eine No-Name-Sammlung. Einige Profis haben Titel gewonnen und Champions League gespielt, viele waren Stammkräft­e in der 1. oder 2. Liga. Es werde „viel mehr arbeitslos­e Fußballspi­eler geben“, prophezeit­e Eintracht Frankfurts Sportvorst­and Fredi Bobic.

Anwalt Reiter versteht die Defensivta­ktik der Clubs. Durch die Geisterspi­ele verlieren sie an Umsätzen, Sponsoren überdenken wegen ihrer eigenen Lage Engagement­s. „Ich kann als Verein meine Einnahmen nicht mehr so planen wie vor anderthalb, zwei Jahren“, sagte er.

Ohnehin sind RasenArbei­tsplätze auch ohne Corona begrenzt. In der Bundesliga, der 2. Bundesliga und der 3. Liga gibt es etwa 1600 Stellen für kickendes Personal. Und deutsche Profis müssen sich einem globalen Konkurrenz­kampf stellen. Mehr als 70 Prozent der Spieler in den Startforma­tionen der 1. Bundesliga kommen aus dem Ausland.

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