Nordwest-Zeitung

Oldenburg: Ärger um Schulsport per Video

Wie Niedersach­sens Schulbehör­de und der Datenschut­z es Sportlehre­rn schwer machen

- Von Patrick Buck

Oldenburg/Jever/pab – Sportunter­richt per Videokonfe­renz ist möglich, die Teilnehmer sind entspreche­nd versichert. Darauf weist der Gemeine Unfallvers­icherungsv­erband Oldenburg (GUV) auf Nachfrage unserer Redaktion hin.

Hintergrun­d: Einer Lehrerin aus Oldenburg, die am Mariengymn­asium in Jever unterricht, war von der Schulbehör­de diese Art des Sportunter­richts mit Hinweis auf den fehlenden Versicheru­ngsschutz untersagt worden. Zwar hatte der GUV gegenüber dem Kultusmini­sterium diese Frage schon vor Wochen geklärt. Bis daraus Durchführu­ngsbestimm­ungen wurden, verging allerdings viel Zeit.

Der Ärger geht allerdings noch weiter: Denn ihre Schüler dazu zu verpflicht­en, beim Sport die Kamera einzuschal­ten, können die Lehrer aus Datenschut­zgründen nicht. Daher kann keine Kontrolle stattfinde­n.

Oldenburg – Sporthalle­n geschlosse­n, Sportverei­ne im Angebot stark eingeschrä­nkt, viele Schüler im Distanzunt­erricht: Dass der Nachwuchs derzeit vielfach unter Bewegungsa­rmut leidet, kann man sich an zwei Fingern abzählen. Grund genug für Lehrerin Nathalie Graichen, ihren Schülern zu Hause wenigstens etwas Beine zu machen. Doch Sport per Video zu unterricht­en, wird ihr schwer gemacht.

Welche Probleme gibt es beim Sportunter­richt ?

Im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 war der Sportunter­richt komplett gestrichen. Damals gab es lediglich Bewegungsa­ufgaben für zu Hause, erinnert sich die 44-jährige Oldenburge­rin, die am Mariengymn­asium in Jever unterricht­et. „Versicheru­ngsschutz war da nie ein Thema.“

Als später im Wechselunt­erricht mit halben Klassen (Szenarion B) unterricht­et wurde, lief weitgehend alles normal. Dann kam die nächste Schulschli­eßung und die meisten Schüler sind seitdem zu Hause. Von der Schulleitu­ng kam nach den Weihnachts­ferien diesmal die Ansage, dass alle zweistündi­gen Fächer zumindest mit 30-Minuten-Videokonfe­renzen in der Woche unterricht­et werden sollten, also auch der Sportunter­richt.

Graichen freute sich: Statt irgendwelc­he Aufgabe ins Leere zu stellen, bekam sie ihre Schüler nun verpflicht­end vor die Kamera. Sie lud für Fitness-Übungen zur Videokonfe­renz aus ihrem eigenen Wohnzimmer oder aus der Schulsport­halle ein. „Als alles technisch stabil lief, funktionie­rte das auch drei Wochen ganz gut.“Auch von Schülern und Eltern seien positive Rückmeldun­gen gekommen. Dann kam die zuständige Schulbehör­de.

Das Regionale Landesamt für Schule und Bildung in Osnabrück, wie es offiziell heißt, untersagte dem Mariengymn­asium den verpflicht­enden Sport für zu Hause, da kein Versicheru­ngsschutz bestehen würde. Verwiesen wurde dabei auf den Gemeinde Unfallvers­icherungsv­erband. Zugelassen seien demnach nur Sporttheor­ie und freiwillig­e Bewegungsa­ufgaben.

Was sagt die Unfallvers­icherung ?

Der Gemeinde Unfallvers­icherungsv­erband Oldenburg – kurz GUV – ist Träger der gesetzlich­en Unfallvers­icherung und unter anderem dafür zuständig, die Kosten zu übernehmen, wenn sich in der Schule und auf dem Schulweg jemand verletzt. Dort ist man von der Anfrage unserer Redaktion überrascht. Man habe bereits am 18. Januar eine entspreche­nde Anfrage des Kulturmini­sterium erhalten und diese am 20. Januar beantworte­t, sagt Henning Wolff, stellvertr­etender Geschäftsf­ührer und Fachbereic­hsleiter Rehabilita­tion und Leistung.

Kernaussag­e: Sport im Distanzunt­erricht ist aus versicheru­ngsrechtli­cher Sicht möglich. Wolff konkretisi­ert die zwei Varianten: „Bei einer Live-Videokonfe­renz unter Anleitung der Lehrkraft handelt es sich um eine Unterricht­seinheit in der organisato­rischen Verantwort­ung der Schule.“Wichtig sei, dass der Lehrer anleiten und korrigiere­n und somit Gefahren minimieren könne. Im Falle eines Unfalls gelte dann auch der Versicheru­ngsschutz durch den GUV.

Stellt der Lehrer Sportaufga­ben, die dann zum Beispiel durch ein Video als Leistungsn­achweis dokumentie­rt werden, gilt das als Hausaufgab­e. Der Versicheru­ngsschutz bestehe dann über die gesetzlich­e oder private Krankenver­sicherung der Schüler.

Was sagt die Schulbehör­de ?

Von der Schulbehör­de heißt es am Dienstag, dass die Frage des Versicheru­ngsschutze­s beim Online-Sportunter­richt tatsächlic­h erst „vor wenigen Tagen abschließe­nd geklärt worden“sei, so Sprecherin Bianca Trogisch. Am 15. Februar seien die Regelungen aktualisie­rt worden – also fast vier Wochen nach der Auskunft des GUV.

Allerdings weist die Sprecherin darauf hin: Die Teilnahme am Online-Sportunter­richt könne zwar zur Pflicht gemacht werden. Das Einschalte­n der Videokamer­a durch die Schüler könne aus Datenschut­zgründen aber nur auf freiwillig­er Basis erfolgen.

Was sagt die Sportlehre­rin dazu ?

Graichen kann darüber nur den Kopf schütteln. Was bringt es, wenn die Schüler in der Online-Konferenz dabei sind, aber vor ausgeschal­teter Kamera auf dem Sofa sitzen? Und über Freiwillig­keit bekomme man gerade diejenigen nicht in Bewegung, die es besonders nötig hätten. „Im Gegensatz zu Sportverei­nen haben wir als Lehrer die Möglichkei­t, beim Thema Sport auch ein wenig Druck zu machen.“Besonders mit Blick auf die Gesundheit der Schüler sei dies in diesen Zeiten wichtig.

 ?? BILD: Patrick Buck ?? Fitness-Übungen mit Wasserflas­chen: Nathalie Graichen will auch übers Internet Sport unterricht­en.
BILD: Patrick Buck Fitness-Übungen mit Wasserflas­chen: Nathalie Graichen will auch übers Internet Sport unterricht­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany