Oldenburg: Ärger um Schulsport per Video
Wie Niedersachsens Schulbehörde und der Datenschutz es Sportlehrern schwer machen
Oldenburg/Jever/pab – Sportunterricht per Videokonferenz ist möglich, die Teilnehmer sind entsprechend versichert. Darauf weist der Gemeine Unfallversicherungsverband Oldenburg (GUV) auf Nachfrage unserer Redaktion hin.
Hintergrund: Einer Lehrerin aus Oldenburg, die am Mariengymnasium in Jever unterricht, war von der Schulbehörde diese Art des Sportunterrichts mit Hinweis auf den fehlenden Versicherungsschutz untersagt worden. Zwar hatte der GUV gegenüber dem Kultusministerium diese Frage schon vor Wochen geklärt. Bis daraus Durchführungsbestimmungen wurden, verging allerdings viel Zeit.
Der Ärger geht allerdings noch weiter: Denn ihre Schüler dazu zu verpflichten, beim Sport die Kamera einzuschalten, können die Lehrer aus Datenschutzgründen nicht. Daher kann keine Kontrolle stattfinden.
Oldenburg – Sporthallen geschlossen, Sportvereine im Angebot stark eingeschränkt, viele Schüler im Distanzunterricht: Dass der Nachwuchs derzeit vielfach unter Bewegungsarmut leidet, kann man sich an zwei Fingern abzählen. Grund genug für Lehrerin Nathalie Graichen, ihren Schülern zu Hause wenigstens etwas Beine zu machen. Doch Sport per Video zu unterrichten, wird ihr schwer gemacht.
Welche Probleme gibt es beim Sportunterricht ?
Im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 war der Sportunterricht komplett gestrichen. Damals gab es lediglich Bewegungsaufgaben für zu Hause, erinnert sich die 44-jährige Oldenburgerin, die am Mariengymnasium in Jever unterrichtet. „Versicherungsschutz war da nie ein Thema.“
Als später im Wechselunterricht mit halben Klassen (Szenarion B) unterrichtet wurde, lief weitgehend alles normal. Dann kam die nächste Schulschließung und die meisten Schüler sind seitdem zu Hause. Von der Schulleitung kam nach den Weihnachtsferien diesmal die Ansage, dass alle zweistündigen Fächer zumindest mit 30-Minuten-Videokonferenzen in der Woche unterrichtet werden sollten, also auch der Sportunterricht.
Graichen freute sich: Statt irgendwelche Aufgabe ins Leere zu stellen, bekam sie ihre Schüler nun verpflichtend vor die Kamera. Sie lud für Fitness-Übungen zur Videokonferenz aus ihrem eigenen Wohnzimmer oder aus der Schulsporthalle ein. „Als alles technisch stabil lief, funktionierte das auch drei Wochen ganz gut.“Auch von Schülern und Eltern seien positive Rückmeldungen gekommen. Dann kam die zuständige Schulbehörde.
Das Regionale Landesamt für Schule und Bildung in Osnabrück, wie es offiziell heißt, untersagte dem Mariengymnasium den verpflichtenden Sport für zu Hause, da kein Versicherungsschutz bestehen würde. Verwiesen wurde dabei auf den Gemeinde Unfallversicherungsverband. Zugelassen seien demnach nur Sporttheorie und freiwillige Bewegungsaufgaben.
Was sagt die Unfallversicherung ?
Der Gemeinde Unfallversicherungsverband Oldenburg – kurz GUV – ist Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und unter anderem dafür zuständig, die Kosten zu übernehmen, wenn sich in der Schule und auf dem Schulweg jemand verletzt. Dort ist man von der Anfrage unserer Redaktion überrascht. Man habe bereits am 18. Januar eine entsprechende Anfrage des Kulturministerium erhalten und diese am 20. Januar beantwortet, sagt Henning Wolff, stellvertretender Geschäftsführer und Fachbereichsleiter Rehabilitation und Leistung.
Kernaussage: Sport im Distanzunterricht ist aus versicherungsrechtlicher Sicht möglich. Wolff konkretisiert die zwei Varianten: „Bei einer Live-Videokonferenz unter Anleitung der Lehrkraft handelt es sich um eine Unterrichtseinheit in der organisatorischen Verantwortung der Schule.“Wichtig sei, dass der Lehrer anleiten und korrigieren und somit Gefahren minimieren könne. Im Falle eines Unfalls gelte dann auch der Versicherungsschutz durch den GUV.
Stellt der Lehrer Sportaufgaben, die dann zum Beispiel durch ein Video als Leistungsnachweis dokumentiert werden, gilt das als Hausaufgabe. Der Versicherungsschutz bestehe dann über die gesetzliche oder private Krankenversicherung der Schüler.
Was sagt die Schulbehörde ?
Von der Schulbehörde heißt es am Dienstag, dass die Frage des Versicherungsschutzes beim Online-Sportunterricht tatsächlich erst „vor wenigen Tagen abschließend geklärt worden“sei, so Sprecherin Bianca Trogisch. Am 15. Februar seien die Regelungen aktualisiert worden – also fast vier Wochen nach der Auskunft des GUV.
Allerdings weist die Sprecherin darauf hin: Die Teilnahme am Online-Sportunterricht könne zwar zur Pflicht gemacht werden. Das Einschalten der Videokamera durch die Schüler könne aus Datenschutzgründen aber nur auf freiwilliger Basis erfolgen.
Was sagt die Sportlehrerin dazu ?
Graichen kann darüber nur den Kopf schütteln. Was bringt es, wenn die Schüler in der Online-Konferenz dabei sind, aber vor ausgeschalteter Kamera auf dem Sofa sitzen? Und über Freiwilligkeit bekomme man gerade diejenigen nicht in Bewegung, die es besonders nötig hätten. „Im Gegensatz zu Sportvereinen haben wir als Lehrer die Möglichkeit, beim Thema Sport auch ein wenig Druck zu machen.“Besonders mit Blick auf die Gesundheit der Schüler sei dies in diesen Zeiten wichtig.