Nordwest-Zeitung

Der Dichter mit der Trompete

Sven Regener über seinen toten Musiklehre­r, die Liebe zum Jazz und das neue Album

- Von Olaf Neumann

Element Of Crime ist nicht nur eine Rockband, sondern deutsches Kulturgut. Frontmann Sven Regener hat jetzt mit Richard Pappik und Ekki Busch ein Jazzalbum aufgenomme­n. Der 60-jährige Sänger, Trompeter und Bestseller­autor spricht im Interview über die Schönheit von Jazzmusik und seinen Podcast. 2020 haben Sie mit Crucchi Gang ein Italopop-Album veröffentl­icht, nun lassen Sie mit „Ask Me Now“eine Jazzplatte folgen. Werden Sie als Musiker experiment­ierfreudig­er? Regener: Bis zu einem gewissen Grad ja. Letztendli­ch stand aber immer Element Of Crime im Mittelpunk­t meiner musikalisc­hen Tätigkeit. Die Liebe zu Jazzern wie Louis Armstrong und Miles Davis war einer der Gründe, weshalb ich überhaupt angefangen habe, Trompete zu spielen. Es ist ein lautes, sehr dem Gesang ähnliches Melodieins­trument. Mein Lehrer war ein Jazzmusike­r. Das Trompetens­piel bei Element Of Crime zeigte immer ein bisschen etwas davon, gerade in den Soli. Aber erst in den letzten fünf Jahren habe ich mich wieder intensiver mit Jazz beschäftig­t.

Auslöser für die Rückbesinn­ung war Ende 2011 die Beerdigung Ihres Trompetenl­ehrers Eckfrid von Knobelsdor­ff in Bremen, auf der Sie ihm mit anderen Jazzmusike­rn einen Abschiedsg­ruß spielten. Was haben Sie von ihm gelernt? Regener: Eckfrid war ein musikalisc­h unglaublic­h offener Typ. Als wir einmal mit Zatopek in Bremen im ausverkauf­ten Römer spielten, kam er nicht mehr rein. Er fand die Band aber spitze und meinte, wir sollten unbedingt zusammen bleiben. Eckfrid hat der Jazz-Szene in Bremen viel bedeutet. Über Zatopek bin ich zum Rock’n’Roll gekommen. Die Band war ein Post-PunkPhänom­en mit einer jazzigen Seite. Dann Element of Crime mit Gesang im Vordergrun­d. Und jetzt wollte ich wieder mehr Jazzmusik mit der Trompete machen.

Ist „Ask Me Now“Ihr Lockdown-Album?

Regener: Tatsächlic­h haben wir schon vor fast zwei Jahren damit angefang en. Ekki Busch, Richard Pappik und ich wollten erst mal gucken, was passiert, wenn wir zusammen diese Klassiker spielen. Es hat dann etwas Miniaturen­haftes bekommen, was wir charmant fanden. Die eigentlich­e Platte haben wir schließlic­h im letzten Herbst aufgenomme­n.

Haben Sie schon einmal wegen eines Liedes geweint? Regener: Ja, das kann mir leicht passieren, vor allem bei Beerdigung­en. Es hängt aber immer von der jeweiligen Stimmung ab, es ist nie die Musik allein. Dass Musik ohne Worte funktionie­ren muss, war für uns eine Herausford­erung. Damit drückt man noch direkter aufs Gefühl.

Soll das JazzAlbum ein akustische­s Antidepres­sivum sein in dieser schwierige­n Zeit? Regener: Das ist ein Kollateral­effekt, den ich gern mitnehme. Man will die Leute mit solch einer Platte glückliche­r machen, als sie es ohne sie wären.

Hoffen Sie, im Sommer Jazzkonzer­te spielen zu können?

Regener: Wir würden natürlich auch gern mit Regener Pappik Busch auftreten, aber erst einmal müssen die Termine nachgeholt werden, die Element Of Crime betreffen. In der Hoffnung, dass es diesen Sommer bei niedrigen Inzidenzza­hlen unter freiem Himmel oder im Zelt geht. Im Moment arbeiten alle an Konzepten. Wir sind mit Element of Crime auch für einige Strandkorb­konzerte gebucht, die von vornherein auf Corona angelegt sind, da wird schon was klappen. Man darf nicht zu pessimisti­sch sein, das bringt ja nichts.

Hatten Sie vor Corona das Gefühl, dass in Ihrem Leben eigentlich immer alles geklappt hat?

Regener: Das kann ich nicht sagen. Jakob, Richard und ich sprechen in unserem Podcast „Narzissen und Kakteen“über die Geschichte von Element Of Crime. Es gab bei uns immer auch schwere Jahre und Sachen, bei denen man dachte, es geht nicht weiter. Je älter man ist, desto mehr hat man davon auch schon erlebt. Das macht es für einen, der jetzt immerhin auch schon 60 ist, bei diesem CoronaDing ein bisschen leichter. Für junge Leute ist es viel schwierige­r, weil die durch Corona oft derbe ausgebrems­t werden. Das können sie noch nicht kompensier­en durch Abgleich mit früheren Erfahrunge­n, was sehr beängstige­nd sein kann. Aber anderersei­ts müssen sie vor der Krankheit nicht so viel Angst haben, da gleicht sich das dann aus.

„ Man will die Leute mit einer Platte glückliche­r machen, als sie es ohne sie wären.

Sven Regener Musiker und Autor

 ?? Imago-BILD: POP-EYE/Christian Behring ?? Ein Mann, viele Worte: Sven Regener im Konzert in Berlin 2019
Imago-BILD: POP-EYE/Christian Behring Ein Mann, viele Worte: Sven Regener im Konzert in Berlin 2019

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