Rassismus, Rock’n’Roll und der amerikanische Traum
Barack Obama und Bruce Springsteen im entspannten Gespräch über ernste Themen
New Jersey – Eines muss man dem Podcast des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama und der Rocklegende Bruce Springsteen zugutehalten – man möchte den beiden zwischendurch fast zurufen: „Moment, ich hole noch eine Runde Eistee“, um sich dann wieder auf die Veranda zu ihnen zu setzen. Springsteen mit der Gitarre in der Hand und Obama, der das Gespräch führt.
Idealbesetzung
Die beiden Freunde sind die Idealbesetzung für diesen Podcast, in einer Zeit, in der Teile Amerikas ruhigeres Fahrwasser herbeisehnen. Verkörpern sie doch das Thema des Podcasts und das stets aktuelle Problem der Vereinigten Staaten: Rassismus. „Schaut her, wir – der weiße Middleclass-Rocker und der dunkelhäutige Staatsmann – vertragen uns prächtig. Das könnt ihr auch“, rufen die Protagoihrem Publikum zu. Schließlich eint sie der Glaube in die amerikanische Idee, die Welt gleicher, gerecht und frei zu machen, wie Obama einleitend zu Protokoll gibt.
Wie kann es gelingen, zu einem vereinigten Amerika zu kommen? Um diese Frage zu beantworten, geht es zurück zu ihren Anfängen auf Hawaii, respektive in Freehold, New Jersey. „Außenseiter“heißt die Folge, und so ist auch das Selbstverständnis der beiden in Retrospektive auf Kindheit und Jugend. So schwelgt man mit Obama in Kindheitserinnerungen an den Strand von Honolulu, untermalt von der Slide-Gitarre Springsteens, erfährt vom schizophrenem Vater des Musikers, dem Gefühl des Andersseins und ersten Erfahrungen mit Alltagsrassismus, bis hin zu den Rasnisten senaufständen in den 1960erJahren, die Springsteen in seiner Heimatstadt Freehold erlebt und später im Song „My Hometown“thematisiert.
Der Umkehrschluss von amerikanischer Kultur auf die eigene Lebensgeschichte wirkt konstruiert, verdeutlicht jedoch gekonnt, wie omnipräsent das Thema Rassismus in den Vereinigten Staaten ist, sowie das Paradoxon der Anerste eignung afro-amerikanischer Kultur bei gleichzeitiger Exklusion dunkelhäutiger Mitbürger.
Kumpelhafter Talk
Die eingangs beschriebene Stärke des Podcasts mag zugleich seine Schwäche sein. Das Thema Rassismus ist stets präsent, wird aber derart flauschig behandelt, dass man sich fragt: Wo ist die Wut, warum bleibt es beim Weglächeln? Die Massenkompatibilität des Kumpelhaften hat hier die Oberhand. Es überrascht, dass plötzlich Reparationen für die Nachfahren der Sklaven thematisiert werden – gut, dass Obama abwiegelt: Derartige Gerechtigkeit sei in seiner Amtszeit unerreichbar gewesen. So pendelt der Zuhörer zwischen ernsten Themen in entspannter Atmosphäre, musikalisch untermalt. Ob der Podcast dem Anspruch gerecht werden kann, Amerika die Augen zu öffnen, muss er noch beweisen.