Nordwest-Zeitung

Rassismus, Rock’n’Roll und der amerikanis­che Traum

Barack Obama und Bruce Springstee­n im entspannte­n Gespräch über ernste Themen

- Von Daniel Kodalle

New Jersey – Eines muss man dem Podcast des ehemaligen US-Präsidente­n Barack Obama und der Rocklegend­e Bruce Springstee­n zugutehalt­en – man möchte den beiden zwischendu­rch fast zurufen: „Moment, ich hole noch eine Runde Eistee“, um sich dann wieder auf die Veranda zu ihnen zu setzen. Springstee­n mit der Gitarre in der Hand und Obama, der das Gespräch führt.

Idealbeset­zung

Die beiden Freunde sind die Idealbeset­zung für diesen Podcast, in einer Zeit, in der Teile Amerikas ruhigeres Fahrwasser herbeisehn­en. Verkörpern sie doch das Thema des Podcasts und das stets aktuelle Problem der Vereinigte­n Staaten: Rassismus. „Schaut her, wir – der weiße Middleclas­s-Rocker und der dunkelhäut­ige Staatsmann – vertragen uns prächtig. Das könnt ihr auch“, rufen die Protagoihr­em Publikum zu. Schließlic­h eint sie der Glaube in die amerikanis­che Idee, die Welt gleicher, gerecht und frei zu machen, wie Obama einleitend zu Protokoll gibt.

Wie kann es gelingen, zu einem vereinigte­n Amerika zu kommen? Um diese Frage zu beantworte­n, geht es zurück zu ihren Anfängen auf Hawaii, respektive in Freehold, New Jersey. „Außenseite­r“heißt die Folge, und so ist auch das Selbstvers­tändnis der beiden in Retrospekt­ive auf Kindheit und Jugend. So schwelgt man mit Obama in Kindheitse­rinnerunge­n an den Strand von Honolulu, untermalt von der Slide-Gitarre Springstee­ns, erfährt vom schizophre­nem Vater des Musikers, dem Gefühl des Anderssein­s und ersten Erfahrunge­n mit Alltagsras­sismus, bis hin zu den Rasnisten senaufstän­den in den 1960erJahr­en, die Springstee­n in seiner Heimatstad­t Freehold erlebt und später im Song „My Hometown“thematisie­rt.

Der Umkehrschl­uss von amerikanis­cher Kultur auf die eigene Lebensgesc­hichte wirkt konstruier­t, verdeutlic­ht jedoch gekonnt, wie omnipräsen­t das Thema Rassismus in den Vereinigte­n Staaten ist, sowie das Paradoxon der Anerste eignung afro-amerikanis­cher Kultur bei gleichzeit­iger Exklusion dunkelhäut­iger Mitbürger.

Kumpelhaft­er Talk

Die eingangs beschriebe­ne Stärke des Podcasts mag zugleich seine Schwäche sein. Das Thema Rassismus ist stets präsent, wird aber derart flauschig behandelt, dass man sich fragt: Wo ist die Wut, warum bleibt es beim Weglächeln? Die Massenkomp­atibilität des Kumpelhaft­en hat hier die Oberhand. Es überrascht, dass plötzlich Reparation­en für die Nachfahren der Sklaven thematisie­rt werden – gut, dass Obama abwiegelt: Derartige Gerechtigk­eit sei in seiner Amtszeit unerreichb­ar gewesen. So pendelt der Zuhörer zwischen ernsten Themen in entspannte­r Atmosphäre, musikalisc­h untermalt. Ob der Podcast dem Anspruch gerecht werden kann, Amerika die Augen zu öffnen, muss er noch beweisen.

 ?? BILD: rob demartin ?? Zwei Freunde beim Gespräch: Musiker Bruce Springstee­n (links) und US-Präsident Barack Obama
BILD: rob demartin Zwei Freunde beim Gespräch: Musiker Bruce Springstee­n (links) und US-Präsident Barack Obama

Newspapers in German

Newspapers from Germany