Inspirationsquelle Oldenburg
Huntestadt verwandelt Regieassistent Nils Braun in Ideen-Kraftwerk
Oldenburg – „Seit ich in Oldenburg bin, ist mein Kopf wie ein Kraftwerk. Es ist unglaublich, wie viele gute Ideen ich hier habe“, erzählt Nils Braun. Seit 2019 ist er Regieassistent am Oldenburgischen Staatstheater. Dort hat er zuerst „Zaide“und „Zarah 47“inszeniert.
„Ich erlebe Oldenburg als sehr entspannte und sehr kulturreiche Stadt. Die Leute kennen ihr Theater und die Menschen, die dort arbeiten“, sagt der 24-Jährige, der in BadenBaden aufgewachsen ist. Dort hat er bereits mit sechs Jahren Cello, Geige und Klavier gelernt, unter anderem im Jugendsinfonieorchester Rastatt gespielt, eine Ausbildung zum Musikmentor absolviert und ein Projekt für kostenlosen Geigen- und Cellounterricht an Grundschulen initiiert, das mit dem Jugendbildungspreis des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet wurde.
Bilder auf Klänge gebaut
Dennoch stand für Nils Braun früh fest, dass er Regisseur wird. Wobei seine Inszenierungen von Tönen ausgehen: „Regie ist für mich, einen Klang zu haben, auf dem ich Bilder aufbaue.“Dabei kann er aus einem reichen Reservoir schöpfen, denn Nils Braun liest gern, liebt das Kino und gute Filme und hört noch mehr Musik. „Ich habe eine Datenbank an Musikstücken und Szenen in meinem Kopf. Wenn ich an einen passenden Ort komme, macht es klick und ich habe eine Idee für ein Theaterstück oder einen Film.“
Einige dieser Orte zeigt er auf einem Spaziergang durch die Oldenburger Innenstadt. Der Blick von der Kanalstraße auf die Villen an der Uferstraße hat ihm bei der Umsetzung von „Zarah 47“geholfen: „Ich überlegte, wie ich die unterschiedliche Perspektive der jungen und der älteren Zarah darstellen könnte. Ich gehe fast jeden Abend nach der Arbeit im Theater hier am Kanal entlang. Ich habe mir vorgestellt, wie Zarah in einer dieser Villen lebt. Sie hatte ja zwei Villen in Berlin von der Ufa bekommen. Dort hat sie praktisch nie aus dem Fenster gesehen, weil sie immer von Menschen umgeben war. Ich habe mir vorgestellt, wie die ältere Zarah in einer der Villen an der Oldenburger Uferstraße sitzt und auf den Kanal schaut. Und so blickt Zarah in meiner Inszenierung lange aufs Meer, als sie allein in ihrem Gut in Schweden ist.“
Wenige Schritte weiter in der Alten Amalienstraße entstehen die nächsten Ideen. „Ich möchte gern lokale Filme drehen, die in den 1920er oder 50er Jahren in Oldenburg spielen. Hier könnten Szenen entstehen, ohne dass viel verändert werden müsste. Nur die Autos müssten weg, die Straßenlaternen verdeckt werden und vor das Spielstraßenschild könnte man eine Litfaßsäule stellen. Die Häuser sind perfekt.“Tatsächlich reiht sich ein stilvoll sanierter Altbau an den nächsten.
Einen Bankraub sieht Nils Braun in der ehemaligen Schalterhalle der Oldenburgischen Landesbank in der Gottorpstraße. Aus dem imposanten Sandsteinbau mit Halbsäulen an der Fassade würden die Gangster in einem stilechten Opel oder Mercedes die Huntestraße entlang am Jachthafen fliehen.
Moderne Oper
Auch das kleine Café Appeltje in der Burgstraße inspiriert Nils Braun: „Hier treffen sich in einer anderen Geschichte ältere Bewohner einer Kleinstadt jeden Tag zum Tratschen. Eine Ermittlerin kommt auch täglich und ist so immer auf dem Laufenden, was den Klatsch betrifft. Das hilft ihr natürlich beim Lösen der Kriminalfälle.“
Derzeit arbeitet Nils Braun mit großer Freude an einem Opernkrimiprojekt, bei dem sich keiner auf der Bühne begegnet. „Corona-tauglich, aber sehr spannend, da es die herrschenden Regeln mit einem neuen Gedanken aufgreift“, sagt er. Hier wird man ein Telefon durch den Orchesterklang knistern, rauschen und Miauen hören – wobei das Maunzen ein wichtiger Beweis ist.
Denn trotz der vielen Filmideen sagt Nils Braun: „Ich bin Oper durch und durch.“Vor allem für die moderne Oper schlägt sein Herz. „Dabei denken viele erst mal an atonale Musik. Die ist aber gar nicht vorherrschend. Einige Werke gehen eher in Richtung Musical.“Und die Arbeit am Staatstheater geht immer vor. Alle anderen Projekte richten sich nach dem dortigen Probenund Spielplan. „Die Arbeit am Staatstheater würde ich nicht aufgeben. Ich fühle mich sehr wohl dort. Die Kolleginnen, Kollegen und die Leitung sind fantastisch. Alle stehen für das Theater ein.“Und wenn eine Anfrage aus Hollywood käme? Die Antwort bleibt der 24-Jährige doch schuldig – verständlicherweise.