Nordwest-Zeitung

Mehr als ein linker Mythos?

Historiker­in Gunilla Budde und Politikeri­n Amira Mohamed Ali über Rosa Luxemburg

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Auch wer sich bisher nicht mit Rosa Luxemburg beschäftig­t hat, dem ist zumindest ihr Zitat „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenk­enden“geläufig. Zu ihrem 150. Geburtstag werden Linke und linke Institutio­nen heute an die „Rote Rosa“erinnern, die für ihre Überzeugun­g, für Frauenrech­te und gegen Militarism­us eintrat. Aber wie wird sie über 100 Jahre nach ihrer Ermordung wahrgenomm­en, welche Rolle spielt sie noch im politische­n Bewusstsei­n – oder sie ist nur ein linker Mythos? Meine Kollegin Nathalie Meng hat dazu Historiker­in Gunilla Budde und Politikeri­n Amira Mohamed Ali gefragt – was sie zu sagen haben, lesen Sie in der

Oldenburg – „Seien Sie trotz alledem ruhig und heiter. So ist das Leben und so muss man es nehmen, tapfer unverzagt und lächelnd – trotz alledem.“Wer schreibt so zuversicht­lich ausgerechn­et in einem Brief aus dem Gefängnis? Rosa Luxemburg schickte diese Zeilen 1917 an Sophie Liebknecht, Frau von Luxemburgs politische­m Mitstreite­r Karl Liebknecht. Auch er war damals inhaftiert.

„Hochverrat“lautete der Grund beider Inhaftieru­ng – weil sie sich, vom internatio­nalen Sozialismu­s und Pazifismus überzeugt, anders als ihre damalige Partei, die SPD, gegen die Unterstütz­ung des Ersten Weltkriegs gewandt hatten. Im Januar 1919 wurden beide ermordet – aufgrund ihrer politische­n Haltung.

Haltung bewahrt

Diese Haltung Rosa Luxemburgs, die vor 150 Jahren am 5. März geboren wurde, polarisier­t bis heute – und verengt bisweilen den Blick auf eine facettenre­iche Persönlich­keit. Luxemburg werde oft auf ihre politische Radikalitä­t verkürzt, sagt die Historiker­in Prof. Dr. Gunilla Budde von der Carl von Ossietzky Universitä­t Oldenburg: „Sie war sicherlich radikaler als viele ihrer Parteigeno­ssen. Aber abgesehen davon stand sie für eine ganz besondere Haltung: Unbeugsamk­eit, Engagement für die Schwachen, für Gerechtigk­eit und Gleichbere­chtigung.“

Radikal war Luxemburg laut Budde auch in ihrer Ablehnung von Monarchie, Militarism­us und Nationalis­mus: „Als eine der wenigen trat sie beherzt gegen den Krieg ein und wandte sich gegen jede Form von Jubelpatri­otismus.“All das und nicht zuletzt ihr Auftreten auf der von Männern dominierte­n politische­n Bühne mache Luxemburg zu einer bedeutende­n Persönlich­keit. Aus noch einem Grund könne Luxemburg als Vorbild dienen: „Sie stand konsequent zu ihren Idealen, war aber bereit, das Andersdenk­ende zu respektier­en.“

Strikt antimilita­ristisch

Auf diese Leitlinie Luxemburgs beruft sich auch Amira Mohamed Ali, Oldenburge­r Abgeordnet­e und Fraktionsv­orsitzende der Partei „Die Linke“im Bundestag. Als Linke sei für sie das zentrale Erbe Luxemburgs der konsequent­e Antimilita­rismus. In Zeiten sich zuspitzend­er politische­r Debatte sei es aber ebenso wichtig, sich an Luxemburgs Humanismus zu erinnern: „Wir müssen die Freiheit der anderen respektier­en, so weit, wie sie unserer Freiheit nicht einschränk­t. Die extreme Spaltung zwischen verschiede­nen Sichtweise­n, bei der Kommunikat­ion miteinande­r gar nicht mehr stattfinde­t, halte ich für eine gefährlich­e Entwicklun­g.“

Nur, weshalb haftet Rosa Luxemburg trotz aller auch weichen Züge vor allem der Ruf der radikalen Revolution­ärin an?

Feindbild für viele

Historiker­in Budde sagt, Persönlich­keiten mit so großer Strahlkraf­t würden oft von einer Seite vereinnahm­t und instrument­alisiert.

Gleichwohl: „Ich bin sehr sicher, dass Rosa Luxemburg die DDR, die sie so zu ihrer Heldin verklärte, äußerst kritisch gesehen hätte.“

Politikeri­n Mohamed Ali glaubt, Luxemburg dient vielen als Feindbild, indem sie sie in die Rolle der harten Kommunisti­n drängten, die sie als Sozialdemo­kratin und Sozialisti­n gar nicht gewesen sei. „Es ist etwas Ideologisc­hes: zu sagen, man darf nicht zulassen, dass das existieren­de Wirtschaft­ssystem des Kapitalism­us infrage gestellt wird.“

Was sie am meisten an Rosa Luxemburg beeindruck­t? „Ihr Selbstbewu­sstsein und ihr Mut – wie sie in diesen Zeiten unerschütt­erlich für ihre Positionen gestritten hat.“Für Gunilla Budde ist es Luxemburgs Lebenshalt­ung: tapfer, unverzagt, lächelnd – auch in denkbar unglücklic­hen Zeiten.

Interview mit Amira Mohamed Ali zu Rosa Luxemburg unter bit.ly/LuxemburgN­WZ

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Oliver Schulz, Leiter der Kulturreda­ktion
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BILD: dpa Rosa Luxemburg (zeitgenöss­isches Porträtfot­o)

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