Mehr Abweichler vom EU-Impfweg
Österreich und Dänemark wollen Kooperation mit Israel – Sputnik V beantragt EU-Zulassung
Brüssel/Jerusalem – Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz war am Donnerstag gerade in Israel gelandet, als man ihm die jüngste Nachricht von der ImpfstoffFront reichte: Bei der Europäischen Medizinagentur (Ema) in Amsterdam hat an diesem Tag das Verfahren zur Zulassung des russischen Covid-19Vakzins Sputnik V begonnen. In wenigen Wochen könnte also ein weiterer Impfstoff für die EU-Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen.
Die Reise Kurz’ und der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hatte zwar mit den aktuellen Engpässen der EU-Mitgliedstaaten nichts zu tun. Aber den Eindruck, dass es um die Impfallianz nicht gut bestellt ist, konnten beide nicht ausräumen.
Eigene Wege
Immer mehr Regierungen gehen inzwischen eigene Wege. Ungarn hat bereits Sputnik V bestellt und eine weitere Lieferung aus China geordert. Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis lässt gerade eine vorgezogene Zulassung des russischen Vakzins prüfen. Kroatien wird wohl folgen. Österreich, Dänemark und Israel treffen sich seit Monaten mit Australien, Norwegen, Griechenland und Tschechien zu Videokonferenzen, die Kurz „First Mover Group“getauft hat. Man will Erfahrungen und Rezepte austauschen, wie die Impfungen im eigenen Land beschleunigt werden können. Am Ende der Gespräche mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu in Jerusalem stand dann der Beschluss für eine vertiefe Zusammenarbeit.
Tatsächlich geht nicht nur unter den Europäern die große Angst um, dass die erste Impfwelle zwar bald in Gang kommt, dann aber ab Herbst die Prozedur wiederholt werden muss, wenn weitere Mutanten auftauchen und neue Vakzine nötig sind. Das ist zumindest die offizielle Begründung, die die wachsende Zahl der „Fremdgänger“vom europäischen Weg vorbringt.
Hinter diesem Argument steckt bei den meisten Kritikern Brüssels jedoch sehr wohl die Sorge um den Verlauf der ersten Impfkampagne, die außer in Malta, Finnland und Dänemark sowie begrenzt in Italien kaum nennenswert vorankommt. Diese Lage, so heißt es in Brüssel, werde durch Sputnik V übrigens kaum entschärft, weil die russischen Arzneimittelhersteller kaum in der Lage seien, erwähnenswerte Größenordnungen nach Europa zu liefern.
Eigene Produktion
Für die EU könnte deshalb entscheidend sein, möglichst rasch den Grundstein für eine eigene und vor allem ausreichende Produktion der Impfstoffe von morgen zu legen. Die Kommission verweist dabei auf ihr Projekt „Hera Inkubator“, das eben diese Vernetzung von Forschung, Entwicklung und Herstellung samt Verteilung sicherstellen solle. Ob das aber reicht, ist offen.