Nordwest-Zeitung

Aus Fast-Ruhestand in Schwedens 1. Liga

Ex-Oldenburge­r Phil Ofosu-Ayeh (29) erhält nach Leidenszei­t bei Halmstads BK neue Chance

- Von Lars Blancke

Oldenburg/Halmstad – Phil Ofosu-Ayeh klingt ziemlich relaxt, als unsere Redaktion ihn telefonisc­h in seiner Wohnung in Halmstad erreicht. „Hier ist der Alltag mega entspannt, das ist im Vergleich zu Deutschlan­d und der Schweiz ein Traum“, berichtet er vom schwedisch­en Corona-Weg. Die Geschäfte seien geöffnet, eine Maskenpfli­cht gebe es nicht. „Das“, sagt der Fußballer aus dem Fast-Ruhestand, der nun in der Provinz „Hallands län“zwischen Malmö und Göteborg den x-ten Neuanfang wagt, „macht es mir einfacher, hier gut anzukommen.“

■ Lange Leidenszei­ten

Dass der in Wilhelmsha­ven aufgewachs­ene Kicker beim schwedisch­en Erstliga-Aufsteiger Halmstads BK überhaupt den Weg zurück ins Profigesch­äft gefunden hat, ist einer Mischung aus Zufall, Hartnäckig­keit, Geduld und Glauben an sich selbst zu verdanken. Ofosu-Ayehs Karriere ist geprägt von Rückschläg­en und langen Leidenszei­ten. Als sie 2016/17 bei Eintracht Braunschwe­ig mit dem BeinaheErs­tliga-Aufstieg und dem anschließe­nden Wechsel zu den Wolverhamp­ton Wanderers den Höhepunkt erreicht, funkt das Verletzung­spech dazwischen. Eine Entzündung der Sehnen im Wadenbeinm­uskel, die er sich in seiner ersten Woche auf der Insel zuzieht, zwingt ihn zu einer Operation und acht Monate lang zum Zuschauen. Währenddes­sen steigen die Wanderers in die Premier League auf – und dort ist das Niveau nach der langen Auszeit zu hoch. Bei seinen Leihstatio­nen Hansa Rostock und Würzburger Kickers wird Ofosu-Ayeh danach auch nicht glücklich – und ab dem März 2019 kommt das Pech zurück. Der Verteidige­r, damals in Würzburg aktiv, spürt ein Stechen unterhalb der Ferse. Nichts geht mehr, auch nicht nach Arztbesuch­en in München, Birmingham und London oder der Behandlung eines Spezialist­en aus Portugal.

21 Monate lang ist OfosuAyeh außen vor, steht kurz vor dem Karriereen­de – bis ein alter Kollege an ihn denkt.

■ Bereit für Start-Up

„Ich war bereit für einen neuen Weg, hätte bei einem Startup-Unternehme­n in der Kundenakqu­ise und bei meinem Verein im Ort einen Trainerjob nebenbei angefangen“, erzählt Ofosu-Ayeh. Der Ort, das ist inzwischen Bülach in der Schweiz. Seine Frau ist Eidgenössi­n, dort hat das Paar den ersten Sohn bekommen und in der langen Verletzung­spause des Fußballers (seit dem Sommer 2020 war er vertragslo­s) einen neuen Lebensmitt­elpunkt aufgebaut. Dort wird Ofosu-Ayeh auch nach und nach schmerzfre­i. „Ich habe sehr viel gearbeitet, mit einem Physio trainiert, Extraschic­hten eingelegt, auf meine Ernährung geachtet“, versichert er. Irgendwann habe er angefangen, bei Viert- und Drittligis­ten in der Umgebung mit zu trainieren. „Ich habe gemerkt: Die Fitness fehlt, aber balltechni­sch ist noch alles da. Es lief besser, als ich gedacht hätte“, sagt der 29-Jährige. Er fängt an, bei Schweizer Vereinen vorstellig zu werden: „Ich wollte wieder angreifen.“Weil er aber so lange verletzt war und in England gut verdient hat, ist die Skepsis bei den kleineren Vereinen, die nach Talenten suchen, um diese mit Gewinn zu verkaufen, groß. Angebote bleiben aus. Wenn bis zum 31. Januar nichts geschieht, setzt sich Ofosu-Ayeh eine Frist, „dann höre ich mit Profifußba­ll auf “.

■ Anruf aus Schweden

Im Januar aber kommt der Anruf des besagten Ex-Kollegen. Joseph Baffoe, mit dem er zwei Jahre in Braunschwe­ig kickte, lädt Ofosu-Ayeh nach Schweden ein. Ein Probetrain­ing bei Halmstads BK – das ist genau jene Chance, auf die er gewartet hat. Ofosu-Ayeh bespricht sich mit seiner Frau, reist nach Skandinavi­en und überzeugt die Verantwort­lichen. Erst im Training, dann in Testspiele­n. Seit dem 13. Februar steht er nun beim Erstliga-Aufsteiger für ein Jahr unter Vertrag. „Ich bin noch jung. Ich habe wieder richtig Lust auf Fußball“, sagt der 29-Jährige. Im schwedisch­en Pokal feiert er am vergangene­n Samstag sein Debüt, hält 90 Minuten lang beim 0:0 gegen Vasteras SK die Abwehr zusammen. Der Ligabetrie­b beginnt in Schweden erst im April. „Für mich ist das hier ein super Schritt und eine coole Lebenserfa­hrung in einem schönen Land“, sagt Ofosu-Ayeh. Man hört dabei: Er ist nicht nur relaxt, sondern auch sehr glücklich.

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BILD: Imago Neues Trikot, neue Hoffnung: Phil Ofosu-Ayeh feierte im „Svenska Cupen“gegen Västeras SK (0:0) sein Pflichtspi­eldebüt für Halmstads BK.

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