Nordwest-Zeitung

33 Tage angekettet in Kellerverl­ies eingesperr­t

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Schauspiel­erin Natalia Wörner (53) sieht Belästigun­gen und Grenzübers­chreitunge­n noch immer als ein großes Problem in der Gesellscha­ft. Sie kenne keine Frau, die „solche Situatione­n, Grenzübers­chreitunge­n verbaler, körperlich­er, emotionale­r Art nicht schon erlebt hat“, sagte Wörner. Sie engagiert sich für das Trainingsp­rogramm „Stand Up“, bei dem die Teilnehmen­den lernen, in Situatione­n der Belästigun­g zu handeln und diese zu entschärfe­n. „Auch ich kenne aus eigener Erfahrung, dass man Situatione­n erlebt und sich nicht adäquat verhalten kann“, sagte Wörner.

Sie haben mal geschriebe­n: „Nie tat es mir gut, irgendetwa­s über die Entführer zu hören oder zu lesen.“Gilt das noch? Reemtsma: In gewissem Sinne gilt das noch. Denn wissen Sie, ich habe mich damals als Nebenkläge­r vor Gericht mit meinem Anwalt für eine Sicherungs­verwahrung ausgesproc­hen. Ich habe gesagt, dass dieser Mensch, wenn er vor Gericht stand, Thomas Drach, in seinem Leben nichts weiter gemacht hat, als kriminelle Handlungen zu begehen. Er weiß gar nicht, wie man anders durchs Leben kommt. Und es war klar, dass das, was er tat, immer gefährlich­er für andere Menschen wurde. Seine Idee war, einmal so viel Geld zusammenzu­bekommen, dass er entweder einen luxuriösen Lebensaben­d hat oder das als Startkapit­al verwendet

Jan Philipp Reemtsma (Bild von 2019)

für ein weiteres, noch größeres Verbrechen. Das ist ihm alles misslungen. Ich kann nur mit Schulterzu­cken sagen: Ja, ich hab’s gesagt, so wird es kommen. Genauso ist es gekommen. Jetzt sind da zwei Menschen schwer verletzt, weil er nicht in Sicherungs­verwahrung genommen wurde. Die wären sonst unverletzt. Das ist das einzige, was ich dazu sagen kann. Da ist man nicht fröhlich deswegen.

Jan Philipp Reemtsma (68)

ist Literatur- und Sozialwiss­enschaftle­r. Er leitete bis 2015 das von ihm gegründete Hamburger Institut für Sozialfors­chung.

Der Erbe

des Zigaretten­hersteller­s Philipp F. Reemtsma wurde 1996 in Blankenese von Thomas Drach und Komplizen entführt. Jan Philipp Reemtsma verbrachte 33 Tage angekettet in einem Kellerverl­ies. Dann ließen ihn die Entführer gegen Zahlung eines Lösegeldes von umgerechne­t 15 Millionen Euro frei.

Haben Sie noch Rachegefüh­le? Sie haben mal geschriebe­n, dass es dem Opfer guttut, Rachegefüh­le zu haben. Reemtsma: Ja, es tut ihm schlecht, solche Gefühle zu unterdrück­en. Aber ich habe auch immer gesagt, dass es keinen Ort gibt für diese Rachegefüh­le, keinen legitimen Ort. Zudem befriedigt es einen ja nicht – in eigener Sache nicht –, wenn jemand soundso viele Jahre im Gefängnis

Thomas Drach

war zwei Jahre später in Buenos Aires verhaftet worden. Das Hamburger Landgerich­t verurteilt­e ihn 2001 wegen erpresseri­schen Menschenra­ubs zu 14 Jahren und sechs Monaten Haft, verhängte aber keine Sicherungs­verwahrung. Nach Verbüßung der Strafe kam Drach 2013 frei.

Am 23. Februar 2021

wurde er in Amsterdam erneut verhaftet. Dem 60-Jährigen werden drei Raubüberfä­lle zur Last gelegt. Es droht ihm die Auslieferu­ng nach Deutschlan­d.

sitzt, und freut sich darüber. Rachefanta­sien sind solche von persönlich­er Vergeltung, man triumphier­t über den anderen. Das sind aber doch alles Fantasiesp­iele, die haben mit der Wirklichke­it nichts zu tun. Menschen sind gut beraten, so etwas in der Wirklichke­it nicht aufsuchen zu wollen. Sie würden enttäuscht. Oder selbst kriminell.

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Dpa-BILD: Charisius
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