Neues Gutachten belastet Amtsträger
Fragen und Antworten um die Kölner Missbrauchsaufarbeitung
Köln – Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat viel Kritik auf sich gezogen, weil er ein erstes Gutachten zum Umgang Verantwortlicher des Erzbistums mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch katholische Priester nicht veröffentlichen ließ und ein zweites in Auftrag gab. Dieses soll am 18. März präsentiert werden. Antworten auf die wichtigsten Fragen:
Warum gab Woelki ein Gutachten in Auftrag
Eine 2018 veröffentlichte Studie der deutschen Bischöfe ergab für das Erzbistum Köln 135 Betroffene sexualisierter Gewalt und 87 beschuldigte Priester in den Akten der Jahre 1946 bis 2014. Weil die bundesweite Erhebung nur stichprobenartig war, beschloss Woelki eine Folge-Untersuchung durch unabhängige Fachleute.
Warum hat das Gutachten eine so große Brisanz
Die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) sollte nicht nur Missbrauchsfälle und systemische Fehler in der Bistumsorganisation seit 1975 klar benennen, sondern auch Verantwortliche, die Täter geschützt und Verbrechen vertuscht haben. Das könnte nicht nur verstorbene und ehemalige Amtsträger betreffen, sondern auch amtierende.
Wie genau lautete der Untersuchungsauftrag
Zu klären war, ob die Verantwortlichen Missbrauchsfälle im Einklang mit kirchlichem oder staatlichem Recht behandelt haben „und/oder dem kirchlichen Selbstverständnis“. Dabei sollte auch überprüft werden, ob ab 2002 – entsprechend den damaligen Leitlinien der Bischofskonferenz – alle Hinweise auf Missbrauchsfälle, die strafrechtlich einen Anfangsverdacht begründen, der Staatsanwaltschaft angezeigt wurden.
Warum ist das Gutachten nicht veröffentlicht
Woelki bekam Hinweise, dass die Nennung von Verantwortlichen möglicherweise Persönlichkeitsrechte verletzen und dass deshalb Klagen drohen könnten. Zwei auf das „Äußerungsrecht“spezialisierte Kanzleien kamen zum Ergebnis, dass die Beschuldigten
teils nicht ausreichend mit den Vorwürfen konfrontiert worden seien. Die „Grundsätze der Verdachtsberichterstattung“seien einzuhalten.
Warum trennte sich Woelki ganz von WSW
Im Herbst 2020 kamen die Experten zum Schluss, dass WSW nicht wesentlich nachgebessert habe. Woelki beauftragte zusätzlich den Kölner Strafrechtler Björn Gercke sowie den Frankfurter Strafrechtler Matthias Jahn und den Erlanger Kriminologen Franz Streng mit einer Prüfung des Gutachtens. Sie attestierten WSW, „in der ganzen Methodik, im Aufbau und der grundsätzlichen Herangehensweise den Mindestanforderungen“nicht zu entsprechen. Gercke bekam den neuen Gutachterauftrag. In der Folge wehrte sich Woelki gegen Vorwürfe, er wolle Verantwortungsträger schützen. Gercke betonte, die Untersuchung werde nicht schonend ausfallen, er habe Pflichtverletzungen „noch lebender Amtsträger“der katholischen Kirche festgestellt.
Wie geht WSW mit der Kritik um
Die Kanzlei betont, sie habe dem Auftrag zufolge ausdrücklich prüfen sollen, „ob und inwieweit das Verhalten etwaig zu benennender Bistumsverantwortlicher, insbesondere in moralischer Hinsicht,
angemessen war“. Der Prüfungsmaßstab sei also auch das kirchliche Selbstverständnis. Diese Bewertungen hätten oft auch eine „deutliche Sprache“erfordert.
Wie ist die Stimmung im Kölner Erzbistum
Wegen der verzögerten Aufarbeitung übte der Diözesanrat heftige Kritik an Woelki. Er habe als moralische Instanz versagt, erklärte der Vorsitzende Tim Kurzbach. Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend forderte Woelkis Rücktritt. Auch von etlichen Priestern und aus vielen Gemeinden kam Kritik. Andere brachten ihre Unterstützung für Woelki zum Ausdruck.