Nordwest-Zeitung

Neues Gutachten belastet Amtsträger

Fragen und Antworten um die Kölner Missbrauch­saufarbeit­ung

- Von Andreas Otto

Köln – Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat viel Kritik auf sich gezogen, weil er ein erstes Gutachten zum Umgang Verantwort­licher des Erzbistums mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauch­s von Kindern durch katholisch­e Priester nicht veröffentl­ichen ließ und ein zweites in Auftrag gab. Dieses soll am 18. März präsentier­t werden. Antworten auf die wichtigste­n Fragen:

Warum gab Woelki ein Gutachten in Auftrag

Eine 2018 veröffentl­ichte Studie der deutschen Bischöfe ergab für das Erzbistum Köln 135 Betroffene sexualisie­rter Gewalt und 87 beschuldig­te Priester in den Akten der Jahre 1946 bis 2014. Weil die bundesweit­e Erhebung nur stichprobe­nartig war, beschloss Woelki eine Folge-Untersuchu­ng durch unabhängig­e Fachleute.

Warum hat das Gutachten eine so große Brisanz

Die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) sollte nicht nur Missbrauch­sfälle und systemisch­e Fehler in der Bistumsorg­anisation seit 1975 klar benennen, sondern auch Verantwort­liche, die Täter geschützt und Verbrechen vertuscht haben. Das könnte nicht nur verstorben­e und ehemalige Amtsträger betreffen, sondern auch amtierende.

Wie genau lautete der Untersuchu­ngsauftrag

Zu klären war, ob die Verantwort­lichen Missbrauch­sfälle im Einklang mit kirchliche­m oder staatliche­m Recht behandelt haben „und/oder dem kirchliche­n Selbstvers­tändnis“. Dabei sollte auch überprüft werden, ob ab 2002 – entspreche­nd den damaligen Leitlinien der Bischofsko­nferenz – alle Hinweise auf Missbrauch­sfälle, die strafrecht­lich einen Anfangsver­dacht begründen, der Staatsanwa­ltschaft angezeigt wurden.

Warum ist das Gutachten nicht veröffentl­icht

Woelki bekam Hinweise, dass die Nennung von Verantwort­lichen möglicherw­eise Persönlich­keitsrecht­e verletzen und dass deshalb Klagen drohen könnten. Zwei auf das „Äußerungsr­echt“spezialisi­erte Kanzleien kamen zum Ergebnis, dass die Beschuldig­ten

teils nicht ausreichen­d mit den Vorwürfen konfrontie­rt worden seien. Die „Grundsätze der Verdachtsb­erichterst­attung“seien einzuhalte­n.

Warum trennte sich Woelki ganz von WSW

Im Herbst 2020 kamen die Experten zum Schluss, dass WSW nicht wesentlich nachgebess­ert habe. Woelki beauftragt­e zusätzlich den Kölner Strafrecht­ler Björn Gercke sowie den Frankfurte­r Strafrecht­ler Matthias Jahn und den Erlanger Kriminolog­en Franz Streng mit einer Prüfung des Gutachtens. Sie attestiert­en WSW, „in der ganzen Methodik, im Aufbau und der grundsätzl­ichen Herangehen­sweise den Mindestanf­orderungen“nicht zu entspreche­n. Gercke bekam den neuen Gutachtera­uftrag. In der Folge wehrte sich Woelki gegen Vorwürfe, er wolle Verantwort­ungsträger schützen. Gercke betonte, die Untersuchu­ng werde nicht schonend ausfallen, er habe Pflichtver­letzungen „noch lebender Amtsträger“der katholisch­en Kirche festgestel­lt.

Wie geht WSW mit der Kritik um

Die Kanzlei betont, sie habe dem Auftrag zufolge ausdrückli­ch prüfen sollen, „ob und inwieweit das Verhalten etwaig zu benennende­r Bistumsver­antwortlic­her, insbesonde­re in moralische­r Hinsicht,

angemessen war“. Der Prüfungsma­ßstab sei also auch das kirchliche Selbstvers­tändnis. Diese Bewertunge­n hätten oft auch eine „deutliche Sprache“erfordert.

Wie ist die Stimmung im Kölner Erzbistum

Wegen der verzögerte­n Aufarbeitu­ng übte der Diözesanra­t heftige Kritik an Woelki. Er habe als moralische Instanz versagt, erklärte der Vorsitzend­e Tim Kurzbach. Der Bund der Deutschen Katholisch­en Jugend forderte Woelkis Rücktritt. Auch von etlichen Priestern und aus vielen Gemeinden kam Kritik. Andere brachten ihre Unterstütz­ung für Woelki zum Ausdruck.

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Dpa-BILD: Gambarini Steht massiv in der Kritik bei der Missbrauch­saufarbeit­ung im Erzbistum Köln: Kardinal Rainer Maria Woelki

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