Nordwest-Zeitung

„Das kann junge Menschen für immer prägen“

Vechtaer Neurologe Storcks warnt vor Lockdown-Folgen für Kinder und Jugendlich­e

- Von Klaus Hilkmann

Welche Auswirkung­en hat der Lockdown auf Kinder und Jugendlich­e?

Albert Storcks: Die seit fast einem Jahr anhaltende­n Corona-Einschränk­ungen werden Auswirkung­en auf Kinder und Jugendlich­e haben, die wir derzeit noch gar nicht abschätzen können. Abgesehen von gesundheit­lichen Schäden – etwa durch zunehmende­n Bewegungsm­angel und Übergewich­t sowie Vereinsamu­ng und einem mitunter problemati­schen Medienverh­alten – sind auch negative Folgen für das soziale Miteinande­r und den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt zu befürchten.

Familienmi­tglieder und Freunde werden im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr vertrauens­voll mit offenen Armen begrüßt. Kinder und Jugendlich­e werden stattdesse­n angehalten, auf Distanz zu gehen und Kontakte möglichst zu vermeiden. Derzeit beweaktuel­len Corona-Entscheidu­ngen muss es eine der Hauptaufga­ben sein, Kinder und Jugendlich­e von dieser Geißel zu befreien.

Wie sieht es mit gesundheit­lichen Folgeschäd­en aus? Storcks: Hier erwartet uns eine Mammutaufg­abe. Schon von Beginn an beobachten wir vor allem Verhaltens­auffälligk­eiten und vermehrte Aggression­en in den Familien. Die Nerven liegen vielerorts blank. Inzwischen folgen Resignatio­n, Vereinsamu­ng und Depression­en. Dazu kommen ein hoher Medienkons­um und die Verschiebu­ng des Tag-NachtRhyth­mus.

Abgesehen davon wird es im sozialen Miteinande­r nachhaltig und langfristi­g zu großen Defiziten kommen. Zum Beispiel wird der Sinn des Schulbesuc­hs durch die Corona-Pandemie in fataler Weise relativier­t. Die Politik propagiert seit Monaten, dass das Recht auf Bildung, Begegnung und Erziehung in der Schule hinter dem Corona-Schutz zurückzust­ehen hat. Für Kinder und Jugendlich­e ist das ein Signal, dass der Schulbesuc­h nur begrenzt wichtig ist.

Was ist zu tun? Storcks: Als Sofortmaßn­ahme sollten Schulen für Schüler aller Altersgrup­pen umgehend mit bestmöglic­hen Schutzund Hygienekon­zepten geöffnet werden. Dazu gehört, dass Erzieher und Lehrer jetzt sehr schnell geimpft werden. Zudem sollten regelmäßig Screening-Tests durchgefüh­rt werden, mit denen Corona-Infektione­n rechtzeiti­g erkannt und Betroffene sofort nach Haus in Quarantäne geschickt werden können.

All diese Möglichkei­ten haben wir. Sie müssen nur gewollt sein und genutzt werden. Die soziale Teilhabe in der Schule und im Verein ist überlebens­wichtig für eine gesunde Gesellscha­ft. Wie bei einer Taschenlam­pe ohne Batterie gibt es ohne Kontakt kein Licht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany